zum Hauptinhalt

Berlin, Paris, Moskau: Ein Präsident schaut vorbei

Angela Merkel und François Hollande wollen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem Antrittsbesuch die Syrien-Frage stellen. Von dessen Antwort hängt einiges ab.

Vorbei ist die Zeit, in der der ohnmächtige Präsident eines ohnmächtigen Landes die Welt wütend aufforderte: „Zu Russland muss man Sie sagen!“ Boris Jelzin, das ist Vergangenheit. Die Gegenwart ist Wladimir Putin, und er hält sich wohl auch für stark genug, die Zukunft zu gestalten. Von schierer Verzweiflung geprägte rhetorische Kraftmeierei wie Jelzin hat er nicht nötig. Die Supermacht von einst spielt ihre wirtschaftlichen und militärischen Stärken gegen die Abhängigkeiten ihrer Nachbarn wieder virtuos aus.

Wenn das alt-neue Staatsoberhaupt – nach dem Ämtertausch mit Medwedew wie schon von 2000 bis 2008 wieder Nummer eins der russischen Hierarchie – in Berlin heute seine Maschine kurz auftanken und dann nach Paris weiterfliegen lässt, kommt ein bis zur Arroganz selbstbewusster Herrscher. Einer, der sein uniformiertes Personal schon mal mit Raketen drohen lässt, sollte der Westen nicht willfährig sein. Schlechte Aussichten also für Angela Merkel und François Hollande, ihren russischen Gesprächspartner in der Syrien-Frage zu einer weniger kaltschnäuzigen, menschenverachtenden Position zu bringen.

Dabei geht es zunächst noch nicht einmal – anders, als der französische Präsident François Hollande glauben macht – um die Möglichkeit einer militärischen Intervention mit einem Mandat des Weltsicherheitsrates. Die Lage heute ist anders als im März 2011. Damals konnte das oberste UN-Gremium zu militärischen Mitteln zur Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen ermächtigen, weil China und Russland kein Veto einlegten. Heute ist Russland nicht einmal bereit, die Verursacher der Massaker an der Zivilbevölkerung – das Regime Assad – beim Namen zu nennen. Zynisch formuliert Moskaus Botschafter bei der EU, Wladimir Tschischow, die Position Russlands so: „Wir schützen das Völkerrecht und die Möglichkeit der Syrer, ihre Zukunft selbst zu bestimmen.“

Der neue Präsident ist der alte Premier - der Unmut in der russischen Bevölkerung wächst:

Nichts daran ist wahr. Moskaus Haltung wird auch nicht aus der Enttäuschung bestimmt, dass der Westen vor einem Jahr in Libyen das UN-Mandat überdehnt und zur Beseitigung des Gaddafi-Regimes genutzt habe. Libyen war ein isoliertes Phänomen, Syrien ist ein Dominostein. Im südlichen Mittelmeerraum konnte der Westen die auf Libyen begrenzte Rebellion unterstützen. In Syrien wäre das völlig anders. Stürzt Assad als Folge einer militärischen Intervention, hat das Auswirkungen auf Iran, Saudi-Arabien, den Libanon, auf das ganze kaum stabilisierte Gleichgewicht der Kräfte in Mittelost. Russland möchte dort eine Machtposition und die Einflussmöglichkeiten wahren. Das gelingt mit Assad vorerst leichter als mit einer aus der Protestbewegung erwachsenden neuen Regierung, von der niemand sagen kann, wofür sie stehen wird.

Nach Lage der Dinge ist aber Russland auch die einzige Macht, die Assad überzeugen könnte, dass er sich nicht länger halten kann, dass er einer Lösung wie im Jemen zustimmen muss. Dort leistete der verhasste Präsident durch eine von außen arrangierte Ausreise seinen Beitrag zum Systemwechsel. Putins Zustimmung zu einer solchen Mittlerrolle im Syrienkonflikt zu erreichen, wäre der größtmögliche Erfolg der diplomatischen Bemühungen von Angela Merkel und François Hollande. Die Gesprächspartner in Berlin und Paris müssten ihren Gast an die Verantwortung erinnern, die die großen Mächte in solchen Konflikten habe.

Zu Russland sollte man tatsächlich Sie sagen. Nicht aus Angst, aus Respekt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false