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Am Anfang der Aufklärung: Der Berliner CDU-Fraktionschef Florian Graf, hier auf einem Archivbild.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner CDU-Fraktionschef Graf: Plagiatsaffäre: Erst wissen, dann meinen

Rot-Schwarz erklärt die Plagiatsaffäre des Berliner CDU-Fraktionschefs Florian Graf für beendet. Dabei hat sie gerade erst begonnen.

Das nennt man blinde Loyalität: Die Plagiatsvorwürfe gegen den Berliner CDU-Fraktionschef Florian Graf waren am Freitagabend gerade wenige Stunden in der Welt. Niemand außer dem Beschuldigten selbst konnte sagen, was an dem schwer wiegenden Verdacht dran ist, er habe den Doktortitel durch Täuschung erhalten. Und trotzdem hagelte es aus der rot-schwarzen Koalition bereits uneingeschränkte Solidaritätserklärungen.

„Florian Graf ist ein ausgezeichneter Fraktionsvorsitzender, und damit ist für mich die Debatte beendet“, erklärte der CDU-Landesvorsitzende und Innensenator Frank Henkel kategorisch – bevor eine Debatte über die Substanz der Vorwürfe überhaupt begonnen hatte. SPD-Fraktionschef Raed Saleh sekundierte, die Rückgabe des Doktortitels durch Graf sei „ausreichend“ – ohne sagen zu können, in welchem Umfang sein Koalitionskollege sich etwas hat zuschulden kommen lassen. Und aus der CDU-Fraktion war zu hören, man stünde „geschlossen“ hinter dem Vorsitzenden – ohne dass auch nur ein Volksvertreter weiteren Aufklärungsbedarf anmeldete.

Bilder: Die Plagiatsaffäre Karl-Theodor zu Guttenbergs

Das erinnert fatal an die so spontanen wie faktenfreien Solidaritätserklärungen in einer Affäre, die vor gerade mal 14 Monaten die deutsche Politik erschütterte. Da stellte sich anfangs Angela Merkel uneingeschränkt hinter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der erklärt hatte: „Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus.“ Zehn Tage später legte er wegen zahlreicher nachgewiesener Plagiate alle Ämter nieder.

Ob und in welchem Umfang die beiden Fälle vergleichbar sind, weiß derzeit niemand. Kein Politiker und kein Journalist konnte bislang Grafs unter Verschluss gehaltene Doktorarbeit lesen und beurteilen, ob und in welchem Umfang der Verdacht der Universität Potsdam zutrifft, dass der aufstrebende Politiker sich heimlich bei anderen Autoren bedient hat, ohne dies deutlich zu machen. Solange dies aber unklar ist, sollte sich kein Innensenator, kein Parteifreund und kein SPD-Fraktionschef anmaßen, den Fall für beendet zu erklären.

Dafür gibt es zu viele offene Fragen, die Grafs dürftige Stellungnahme vom Freitagabend nicht beantwortet: In welchem Umfang hat er bei anderen abgeschrieben und damit nicht nur die Universität getäuscht? Wieso wartete er mit der Rückgabe des Doktortitels, bis die Universität von sich aus Zweifel anmeldete, befeuert durch Presseanfragen? Wieso machte er aus seiner Dissertation ein so großes Geheimnis, dass nicht einmal Parteifreunde, die darin erwähnt werden, das Thema kannten? Und ist dies wirklich der einzige Fall, in dem der auch jenseits der CDU als anständig und verlässlich geschätzte Politiker den Pfad der Tugend verließ? 

Bis diese Fragen erschöpfend beantwortet sind, sollten sich alle mit Urteilen zurückhalten. Noch ist kein zweiter Fall von Guttenberg’schen Dimensionen zu erkennen. Aber für eine voreilige Absolution gibt es bislang ebenfalls keinen Grund.

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