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Meinung: Berliner Haushalt: Kassensturz als Therapie

So war das früher: Bevor die Helden in die Schlacht zogen, wurde ihnen die Beichte abgenommen und Absolution erteilt. So ist es heute: Bevor sich die Parteien ins Wahlkampfgetümmel stürzen, erleichtern sie ihr Gewissen und sagen den Wählern, wie die Finanzlage Berlins wirklich ist.

So war das früher: Bevor die Helden in die Schlacht zogen, wurde ihnen die Beichte abgenommen und Absolution erteilt. So ist es heute: Bevor sich die Parteien ins Wahlkampfgetümmel stürzen, erleichtern sie ihr Gewissen und sagen den Wählern, wie die Finanzlage Berlins wirklich ist. Zuerst die CDU, als Oppositionspartei befreit von den Fesseln regierungsamtlicher Rücksichtnahmen. Dann die sozialdemokratische Finanzsenatorin Christiane Krajewski. Und morgen veranstalten Grüne und PDS ihren eigenen Kassensturz.

Was kommt dabei heraus, außer das sich alle ehrlich machen? Die schlechten Bilanzen der öffentlichen Hand sind schließlich nicht neu. Seit Jahren sind der Personal- und der Sozialhilfeetat des Landes Berlin unterfinanziert; geben die Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe und Theater mehr Geld aus als geplant. Schon lange wissen wir, wie sanierungsbedürftig unsere Straßen, Schulen und Sportstätten sind und dass luxuriöse Stadtentwicklungsvorhaben finanzielle Risiken in Milliardenhöhe in sich bergen. Allseits reift die Erkenntnis, dass die Privatisierung von Landesvermögen keine sprudelnde Einnahmequelle mehr ist. Berlin kann nur hoffen, dass die Zinssätze für Kredite nicht steigen, denn jedes Prozent mehr bedeutet zusätzliche Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe.

Alles zusammengerechnet, fehlen in der Finanzplanung der Stadt jährlich zwei bis drei Milliarden Mark. Der neue Kassensturz des Senats bestätigt dies und präsentiert Zahlen, die nur im Detail strittig sein können - und trotzdem über viele Jahre bestritten wurden. Berlin, endlich wieder deutsche Hauptstadt, pleite? Das durfte nicht sein, weil es den Stolz der regierenden Aufbau- und Vereinigungsparteien CDU und SPD verletzte. Meckern sollte die Opposition. Das Wunschbild einer blühenden Wirtschaftsmetropole, deren Tresore unter der Last der Steuergelder platzen, wurde erst seit Mitte der neunziger Jahre schrittweise der Realität angeglichen. Ein schmerzhafter Prozess, der - befördert durch die sündhaft teure Bankenaffäre - nun zum Abschluss kommt.

Jetzt trauen sich alle. Die schlimmsten Horrorzahlen werden präsentiert, das Bedürfnis der Parteien nach haushälterischer Klarheit und Wahrheit nimmt geradezu masochistische Züge an. Ein konkursreifes Berlin und niemand hilft - wohlig läuft ein Schauer über den Rücken. Selbst die sofortige Bereitschaft des Bundes, alle hauptstadtbedingten Sonderlasten zu übernehmen, könnte die Notlage kaum lindern. Trotzdem: Die Kassenstürze dieser Woche helfen weiter. Als Ansatz für eine Therapie. Nur wer die bittere Wahrheit bedingungslos anerkennt, kann die zu einem großen Teil selbstverschuldete Krise meistern. Und in der Landeskasse liegen schließlich nicht nur Schuldscheine, sondern auch Wechsel auf die Zukunft Berlins.

Ein schönes Thema für den Wahlkampf? Eher nicht. Um die verzweifelte Finanzsituation der Stadt zu verbessern, müsste ein parteiübergreifender Wettbewerb der Ideen angeschoben werden, bei dem die Gemeinsamkeiten im Vordergrund stehen. Das Ringen um eine nachhaltig wirksame Finanzpolitik verträgt keine wahlkämpferischen, plakativen Töne. Es geht um die Existenzgrundlagen Berlins. Um nur wenige Beispiele zu nennen: Von der CDU bis zur PDS ist man sich im Prinzip einig, dass die Personalkosten des öffentlichen Dienstes um eine Milliarde Mark verringert werden müssen. Warum wird nicht endlich nach einem Weg gesucht, dieses ehrgeizige Ziel zeitnah zu erreichen?

Gleiches gilt für die Privatisierungspolitik, aus politisch-taktischen und ideologischen Gründen ein dankbares Objekt des Parteienstreits. Die Frage, wie sich die hohen Sozialhilfeausgaben - für die betroffenen Menschen vertretbar - senken lassen, bedarf ebenfalls einer unvoreingenommenen, parteiübergreifenden Diskussion. Jetzt, sofort. Das gilt auch für die Reform der Verwaltung, die zu langsam voran kommt. Wer teure Strukturen nicht verändert, verschenkt Geld. Das kann sich Berlin einfach nicht leisten. Die Stadt nimmt zu wenig ein und gibt zu viel aus. Über all müssten die Parteien jetzt schon miteinander reden, damit der nächste Senat, wer immer ihn bildet, auf zwei Feldern sofort nach der Wahl handlungsfähig ist: in der Wirtschafts- und in der Haushaltspolitik.

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