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Berliner S-Bahn: Ein Fall für den Staatsanwalt

Bei der Berliner S-Bahn herrscht das Chaos. Mit krimineller Energie ließ man die Wagenflotte verkommen. Jetzt muss der Deutschen Bahn ihr Tochterunternehmen so schnell wie möglich entrissen werden.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der öffentliche Personennahverkehr ist das Grundgerüst jeder modernen Großstadt. Wer das leugnet und zärtlich auf das Blech seines Autos klopft, muss nur einmal dorthin fahren, wo es kein funktionierendes Netz von Bussen und Schienenverkehr gibt. Johannesburg zum Beispiel wurde zur Auflage gemacht, für die Fußball-WM in neue Schnellbusse zu investieren. Die Südafrikaner können glücklich sein, dass ihnen nicht die S-Bahn verkauft wurde.

Nein, Berlin wird darauf sitzen bleiben – auf diesem ehemals revolutionären Verkehrssystem, das mit der Expansion Berlins zur Industrie- und Weltstadt genauso verbunden ist wie Siemens oder Borsig. Erst war die Reichsbahn, dann die Deutsche Bahn der Eigentümer. Das S-Bahnnetz in staatlicher Regie wurde von Anfang an weltweit bewundert und hat sogar nach dem Mauerbau 1961 die Stadt ein wenig zusammengehalten. Auch wenn sich so mancher West-Berliner weigerte, den Kommunisten Fahrscheine abzukaufen.

Der bundeseigene Konzern Bahn, auch das gehört zur Wahrheit, hat den Fuhrpark und das Netz 1995 nicht gerade im besten Zustand übernommen. Und er hat anschließend investiert. Aber seit einigen Jahren wird die S-Bahn nur noch als Gewinnausschüttungsmaschine missbraucht. Aus dem alten Blech haben Mehdorn & Co. hemmungslos alles herausgepresst. Als fetten Beitrag für einen Börsengang, der nicht stattgefunden hat. Jetzt sehen wir das Ergebnis, und wir spüren die Folgen: Eine mit krimineller Energie heruntergewirtschaftete Wagenflotte kann kaum noch auf den eigenen Rädern stehen, geschweige denn Menschen transportieren. Selbst richtig bremsen können die Fahrzeuge kaum noch. Nicht einmal die DDR hätte es sich erlauben dürfen, die S-Bahn so kaputt zu machen.

Der Schaden ist enorm. Für die Volkswirtschaft, für die Berliner und für das Image der Stadt. Gäbe es nicht die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit ihrem dicht geknüpften Netz aus U-Bahn, Tram und Bussen, würde Berlin vermutlich wirklich im Chaos und im Autoverkehr versinken. Wir werden auch dies überstehen, und irgendwann ist alles repariert. Ein Zustand auf Dauer ist das aber nicht. Also, was tun – über ein aktuelles Krisenmanagement hinaus, das BVG und Senat einigermaßen im Griff haben?

Erstens: Die S-Bahn muss der Deutschen Bahn als Tochterunternehmen so schnell wie möglich entrissen werden. Sie könnte zum Beispiel unter das Dach der landeseigenen Verkehrsbetriebe schlüpfen. Preiswert wird das aber nicht.

Zweitens: Der Senat muss alle rechtlichen und politischen Mittel ausschöpfen, um die Bahn zu einem angemessenen Schadenersatz zu zwingen, und er muss den bis 2017 laufenden Verkehrsvertrag mit der S-Bahn vorzeitig auflösen oder korrigieren.

Drittens: Um die Verantwortlichen bei S-Bahn und Deutscher Bahn muss sich sofort die Staatsanwaltschaft kümmern.

Viertens: Die Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sollte endlich Verkehrspolitik lernen.

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