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Klaus Wowereit ist guter Dinge. Die neue Berliner Regierung muss sich aber erst noch beweisen.

© dapd

Berlins neue Regierung: Wowereits Senatsreserve

Berlin soll reicher werden, aber sexy bleiben, hat Klaus Wowereit gesagt. Die Kür seines Senatsteams belegt ein weiteres Mal, dass die Erwartungen besser nicht zu hoch sein sollten.

Der Anspruch an diesen neuen Senat ist hoch, selbstgewählt hoch. Gleich im ersten Absatz der Präambel zum Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU heißt es: „Wir werden Berlin zum deutschen Zentrum der urbanen Wirtschaft und der Zukunftstechnologien machen.“ Das ist der eine Pfeiler dieser Regierung, hineingerammt in das Papier an herausragender Stelle. Der andere steht gewissermaßen am Ende und ist definiert über die Kraft der Summe seiner Erwähnung auf den eng beschriebenen Seiten: Bildung, immer wieder Bildung, in allen denkbaren Variationen, 158 Mal beschrieben und beschworen. Wirtschaft und Bildung also.

Gemessen an der Bedeutung, die beide Schlüsselressorts zugewiesen bekamen, ist deren Besetzung durchaus überraschend. Die neuen Senatorinnen sind über einen engen Fachkreis hinaus wenig bekannt. Aber beide genießen in jenen Kreisen einen guten Ruf: die künftige Wirtschaftssenatorin als Bildungsspezialistin, die künftige Bildungssenatorin als Jugendpolitikerin. Wirklich überzeugend klingt das nicht. Ohnehin hatte es bereits vor der Benennung Irritationen wegen des Zuschnitts beider Ressorts gegeben. Die Bildung bekommt zwar einen dritten Staatssekretär, verliert aber die Forschung – und zwar an die Wirtschaft. Wie war das noch, Wirtschaft und Bildung? Nein, Wirtschaft vor Bildung, dann kommt der Rest.

Eine schlüssige Erklärung für die widersinnig anmutende Trennung von universitären und außeruniversitären Einrichtungen haben die Koalitionäre bis heute nicht geliefert. Für die Stärkung der Wirtschaft, erweitert um die Zuständigkeit für die Forschung, erleichtert um diejenige für Arbeit, hätte es eine gegeben: wenn für dieses machtvollere, schlankere und attraktivere Ressort eine richtig spektakuläre Besetzung gelungen wäre; ein weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannter und geachteter Name, jemand, der Zugang hat zu den Größen der Wirtschaft, vielleicht sogar selbst eine ist, der diese überzeugen, auch überreden kann, mehr zu tun in und für Berlin.

Warum Sybille von Obernitz dennoch eine gute Senatorin werden kann, lesen Sie auf Seite 2.

Es kam anders. Eine gute Senatorin kann Sybille von Obernitz dennoch werden, Erfahrung, Kontakte und Vertrauen der IHK hat sie jedenfalls; doch bleibt einstweilen von der groß angelegten Operation Wirtschaft die amputierte Bildung zurück. Nur Zyniker mögen sagen, dass Sandra Scheeres, künftig zuständig für Schule und Universitäten, mit Forschung bisher ohnehin nicht viel zu tun gehabt hat. Und wenn es im Koalitionsvertrag heißt: „Unsere einzigartige Bildungs- und Wissenschaftslandschaft ist Anziehungspunkt für Unternehmen“, so gilt gleiches leider nicht für die Schullandschaft. Da gibt es also genug zu tun – oder, zur Abwechslung, auch mal zu lassen. Der Schulreformeifer des anerkannten Universitätsexperten Jürgen Zöllner, Vorgänger von Scheeres, sollte nicht unbedingt stilbildend sein. Seine Autorität aber muss sich Sandra Scheeres erst noch erwerben.

Das gilt auch für andere im neuen Senat, der eine Berliner Lösung ist, in jeder Hinsicht. Der junge Mario Czaja ist ein gutes Beispiel dafür: hoch talentiert, hoch gelobt, bekommt er zur Gesundheit Soziales dazu, kein reiner Spaß in Berlin. Und Dilek Kolat wird nicht aufs Integrationsfach begrenzt, sondern hat auch die Arbeit und Frauen dabei. Frank Henkel als Innensenator muss einen Ehrhart Körting erst mal ersetzen, Michael Braun als Justizsenator Gisela von der Aue. Michael Müller darf endlich zeigen, aber muss es dann auch, dass er mehr kann, als eine Partei und eine Fraktion zu führen; jetzt kommt eine Riesenverwaltung dazu, die für Stadtentwicklung, Bau und Verkehr. Sieben neue auf einen Streich, das ist fürwahr ein neuer Senat, der auch seine Chance bekommen soll. Nur Ulrich Nußbaum, Finanzen, ist noch dabei aus der Zeit von Rot-Rot, und, na ja klar Klaus Wowereit. Den prätentiösen Anspruch aus der Präambel hatte er übrigens gleich mit dem nächsten Satz schon wieder spielerisch-selbstironisch gebrochen: „Wir wollen, dass Berlin reicher wird und sexy bleibt.“ Die Erwartungen sollten also nicht allzu hoch sein. Dann geht’s vielleicht auch so.

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