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Berlins Polizei in Nöten: Die Prügelknaben

So schwierig es ist, Brandstiftern beizukommen, die schon vom Tatort verschwunden sind, wenn das Auto zu lodern beginnt - ohne massiven Einsatz von Beamten in Uniform wie Zivil wird die Welle nicht zu stoppen sein.

Wenn sie könnten, würden sie 110 wählen. Berlins Polizisten wissen aber, dass sie dann eventuell in der Warteschleife landen – wegen Personalmangels. Überstunden, schlechte Ausrüstung, alte Fahrzeuge, und täglich Radau, wenn wieder ein Auto brennt. Schon 286 waren es dieses Jahr. Sie sind hilflos und allein gelassen, so sieht es die Polizeigewerkschaft.

Der Verweis, dass es vor der Wende doppelt so viele Beamte gab, ist unhistorisch. Damals war die Stadt geteilt. Heute gibt es andere Aufgaben: Mehr als 2400 Demos jährlich sind der Preis der Hauptstadt-Rolle; überdehnt werden die Kräfte auch durch häufige Großeinsätze gegen brutale Fußballfans. Das kostet Geld – und manchmal die Gesundheit. Die Motivation der Beamten erodiert durch täglich erfahrene Respektlosigkeit auf den Straßen und wachsende Gewaltbereitschaft gegen Beamte. Der Polizist, dein Feind und Prügelknabe.

Für die Sicherheitsbehörden geht es nicht mehr nur darum, für den 1. Mai mit seiner ritualen Gewalt gewappnet zu sein. Die Offensive der Linksradikalen hat die Landkarte der Gewissheiten verändert: Für die Polizei ist inzwischen jeder Tag ein 1. Mai. Die vielen erfolgreichen Anschläge haben der Szene ein enormes Selbstbewusstsein verliehen und machen sie für junge Menschen anziehend. Fraglich ist, ob der Verfassungsschutz den neuen Formen der Organisation von gewaltbereiten Radikalen angemessen begegnen kann. Die handeln immer überraschender, in kleinen Gruppen, ohne Kontakte zueinander, sie verabredeten sich über das Internet zu zeitgleichen Aktionen in mehreren Städten.

Zu simpel ist, mehr Grün auf den Straßen zu fordern. Polizei kann keine gesellschaftlichen Konflikte lösen; das ist Aufgabe der Politik. Dem Hass der autonomen Autobrenner ist nur gemeinsam beizukommen. Eine Ächtung der Gewalt und weniger Anschläge gibt es nur, wenn die Stadt sich darin einig ist. Dazu gehört freilich, dass sich nicht nur die Spitze der Linken distanziert, sondern die Partei, und nicht Abgeordnete als Anmelder für unfriedliche Aufzüge auftreten. Erfahrungen mit dem 1. Mai in Kreuzberg zeigen, dass ein Kiez erst befriedet werden kann, wenn die Bewohner gegen Zerstörung angehen. Die realen Ängste vor steigenden Mieten und der Verdrängung von Alteingesessenen müssen ernst genommen werden; dann können Autonome dies nicht als ideologische Rechtfertigung für Anschläge missbrauchen. Linksradikale fühlen sich wie Fische im Wasser, wenn es an bürgerschaftlichem Engagement und Widerstand gegen die Hassbrenner fehlt.

So schwierig es ist, Brandstiftern beizukommen, die schon vom Tatort verschwunden sind, wenn das Auto zu lodern beginnt – ohne massiven Einsatz von Beamten in Uniform wie Zivil wird die Welle nicht zu stoppen sein. Das können die Berliner verlangen; die rot-rote Landesregierung hat dies viel zu lange runtergespielt. Der Senat wird aber sagen müssen, was die Polizei zurückstellen muss, ob bei Aufzügen zur Bundespolitik vermehrt Beamte aus anderen Bundesländern eingesetzt werden oder Fußballvereine selbst für Sicherheit sorgen müssen. Aber warten, bis die Flammen der Empörung bei den Berlinern noch höher lodern, kann der Senat nicht mehr.

Die Autonomen haben eine klare Kampfansage gemacht. Berlin muss gemeinsam die Antwort geben: Bürger, Politiker und Polizei. Nicht mit null Toleranz, sondern wie im alten Sponti-Spruch mit Gefühl und Härte. Wenn das nicht gelingt, hilft auch der Notruf nicht mehr.

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