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Meinung: Beschäftigungswunder, Teil II

Ein bemerkenswerter Metall-Tarifabschluss hilft Deutschland durch die Krise. Auch Angela Merkel kann sich freuen.

Ein bisschen darf man über den Partner lästern. IG-Metall-Chef Berthold Huber, so spotten manche Arbeitgeber, habe in den nächsten Jahren einen Platz auf dem Schoß von Mutti Merkel sicher. Da klingt auch Respekt durch und ist im Übrigen nur die halbe Wahrheit: Neben Huber sitzt Arbeitgeberpräsident Martin Kannegiesser. Die beiden Herren stehen für einen Tarifabschluss in der Metallindustrie, der in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich ist und die Bundeskanzlerin gewiss glücklich stimmt. Die Wahrscheinlichkeit von Massenentlassungen in dieser so überragend wichtigen Industrie, zu der Maschinen- und Automobilbau zählen, ist seit Mittwoch deutlich geringer geworden.

Die Erfolge der Exportnation Deutschland sind ganz überwiegend Erfolge der Metall- und Elektroindustrie. Das Wachstum in den Jahren vor der Lehman-Pleite haben wir der Industrie zu verdanken, die so stark ist, dass sie sich gegen neue Wettbewerber aus China und Indien sogar zusätzliche Weltmarktanteile erobern konnte. Doch da die Maschinenbauer und Autokonzerne ihre Produkte vor allem im Ausland verkaufen, sind sie von der Weltwirtschaftskrise besonders betroffen. Die Kapazitäten in den Betrieben sind im Schnitt nur zu knapp vier Fünftel ausgelastet; ein Fünftel der Belegschaft wird also nicht gebraucht. Kurzum: Gut 700 000 der 3,4 Millionen Metaller hierzulande müssen Angst um ihre Arbeit haben. Und Angela Merkel um ihre Wiederwahl.

Mit dem Düsseldorfer Tarif gibt es nun eine Grundlage für die Fortsetzung des „German Beschäftigungswunders“, das bereits 2009 ausländische Beobachter verblüffte. Das Wunder kann man erklären: Sehr flexible Arbeits- und Tarifverträge (Arbeitszeitkonten, atmende Fabrik) werden ergänzt durch erhebliche Arbeitszeitverkürzungen (Kurzarbeit), bei denen wiederum Staat und Sozialbeitragszahler als Mitfinanziers auftreten. Diese Politik haben die Metalltarifparteien jetzt ergänzt und fortgesetzt bis Mitte 2012. Dann läuft die Kurzarbeit aus, dann sollte die Krise beendet sein.

Die IG Metall hat sich für ihre Leute eine relative Arbeitsplatzsicherheit gekauft, indem sie – das gab es noch nie – keine Lohnforderung aufstellte und sich schließlich mit einer bescheidenen Tariferhöhung zufriedengab. Die Arbeitgeber können zu verträglichen Kosten ihre Belegschaften behalten und haben fast zwei Jahre Ruhe an der Tariffront; größere Entlassungen könnten sie kaum rechtfertigen. Im Ergebnis werden das Land und seine Bundeskanzlerin viel besser durch die Krise kommen als vor anderthalb Jahren befürchtet.

Das Zusammenspiel von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Staat funktioniert in der Krise ausgezeichnet. Kannegiesser und Huber sehen zu Recht Tarifautonomie und soziale Marktwirtschaft gestärkt, weil die wichtigen Akteure gemeinsam Brücken aus der Krise gebaut haben. Eben auch mit Hilfe eines Staates, der Verantwortung für Beschäftigung wahrnimmt und dessen Grundausrichtung nicht von den peinlichen Parolen Guido Westerwelles vorgegeben wird.

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