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Hat einen Entwurf vorgelegt, der die Beschneidung in Deutschland gesetzlich regelt: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

© dpa

Beschneidung: Alles beim Alten

Der Vorschlag zur Beschneidung ist das beste aller schlechten Gesetze. Er sichert den Rechtsstatus vor dem Kölner Urteil ab. Bleibt also alles wie gehabt? Fast.

Ein archaisches Gewaltritual, das verboten gehört, so denken viele in Deutschland, vielleicht die meisten, über die religiöse Knabenbeschneidung. Trotzdem wird der Bundestag bald ein Gesetz verabschieden, das den Eingriff erlaubt. Der Vorgang zeigt, Mehrheitswillen und Sittenkomment sind nur einige Bausteine der Demokratie, Minderheitenschutz ist auch einer. Wer das nicht verstehen kann oder will, mag sich dennoch damit zufriedengeben, dass Juden und Muslimen in der Diaspora geholfen wird. Akzeptanz des Fremden wird erst dort wichtig, wo es wehtut. Können wir es aushalten? Die Beschneidungsdebatte hat Zweifel aufkommen lassen.

Die Vorstellungen der Justizministerin für ein neues Gesetz sind geeignet, ein paar Zweifel zu beseitigen. Technisch gesehen handelt es sich um eine Klarstellung. Eltern dürfen ihren Sohn beschneiden lassen, wenn ihm dabei nicht unnötig wehgetan wird. Und auch jüdische Mohelim dürfen operieren, es müssen keine approbierten Ärzte sein. Sollte ein Kind sich wehren und nicht wollen, sollte es gequält werden, dann können sich die Beteiligten strafbar machen.

Die Ministerin ist klug genug, dem Bundestag keine Regelung zu empfehlen, die Gläubige nötigt, ihre Glaubenszwänge darzulegen. Sollen jüdische Eltern zu Bittstellern bei Behörden werden, wie muslimische Schlachter, die einen Ochsen schächten wollen? Die Ministerin ist auch klug genug, die Vorschrift im Bürgerlichen Recht und nicht im Strafgesetzbuch anzusiedeln. Oder sollten gläubige Eltern als potenzielle Täter behandelt werden, bei denen der Staat ausnahmsweise mal ein Auge zudrückt? Zuletzt tut die Ministerin gut daran, religiöse Motive insgesamt außen vor zu lassen. Oder sollen Eltern künftig bestraft werden, weil sie die nackte Eichel ihres Kindes für gesünder halten?

Bildergalerie: Die Beschneidungsdebatte in Bildern:

Die Justizministerin hat die beste aller schlechten Regelungen vorgelegt, um die im Sommer aufgeflammte Diskussion in den Griff zu bekommen. Wer darin gleichwohl keinen Fortschritt erkennen kann oder keinen Ansatz, das Kindeswohl entscheidend zu schützen, hat recht. Das geplante Gesetz beschreibt in etwa die geltende Lage: Eine fachgerecht vorgenommene Beschneidung war in Deutschland immer erlaubt – Kinder zu quälen, war dagegen immer verboten. An dieser Situation hat das umstrittene Urteil des Landgerichts Köln, das im Juni bekannt gemacht wurde, im Kern nichts geändert. Der Hinweis darin, die rituelle Beschneidung sei grundsätzlich strafbar, war das, was Juristen ein „obiter dictum“ nennen; nebenbei Gesagtes, mehr nicht. Nur weil es effektvoll in die Öffentlichkeit gespielt wurde, hat es als Politikum Karriere machen können.

Die neue Regelung bedeutet zunächst, dass alles beim Alten bleiben soll. Damit bleiben auch Unsicherheiten. War das den Aufruhr wert? Geht es den Kindern damit künftig gut oder schlecht? Schließlich: Ist die Debatte zu Ende? Oder muss sie jetzt erst beginnen?

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