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Betraum-Urteil: Ein Job für Yunus

Die Muslime müssen mehr für die Integration tun, als ihre Rechte einzuklagen.

Yunus heißt das aktuelle Beispiel für gelungene Integration: Anders als viele Jungen in seinem Alter – er ist 16 – wäscht sich der Deutsch-Türke fünfmal täglich und bewegt sich regelmäßig. Wenn es Streit gibt, kloppt er sich nicht, er geht vor Gericht. Selbstbewusst ist er auch, wer hat schon die Traute, seine eigene Schule zu verklagen? Und welcher deutsche Teenager steht freiwillig, wie er, im Morgengrauen auf? Gut, Yunus sagt „Isch“ statt „Ich“, aber mal ehrlich, damit fangen auch schon die Deutschen an. Wir könnten stolz sein auf Yunus, das Mustermigrantenkind. Wenn nur die Sache mit dem Beten nicht wäre.

Ja, Yunus betet. Fünf Mal am Tag. Eher auffällig, wie Muslime eben beten. Einmal davon darf er es in der Schule, sagt ein Gericht. Großer Aufschrei. Nur: Wo ist eigentlich das Problem?

Die Berliner Schulbehörde behauptet, nun sei ein Präzedenzfall geschaffen. Nun müssten Gebetsräume her. So ist er eben, der Deutsche: Wenn er nicht grundsätzlich wird, denkt er in Extremen. Der Präzedenzfall geht nicht auf das Konto von Yunus, sondern auf das der Schule. Man muss nicht mit dem Grundgesetz unterm Arm in der Gegend herumlaufen, um zu wissen, dass Gebetsverbote, ob sie nun für Schulen, Bahnhöfe, Behörden oder Autobahnrastplätze ausgesprochen werden, verfassungswidrig sind. Bei allem Respekt, wie können Lehrer ernsthaft gegenteiliger Auffassung sein?

Yunus darf in einem ehemaligen Computerraum beten, wenn er einen Lehrer findet, der ihm aufschließt. Seine Freunde, die auch beten wollten, durften nicht. Sie hatten nicht geklagt, für sie galt das Urteil nicht. Deutsche Korrektheit? Eher deutscher Kleinmut, deutsche Rechthaberei.

Wenn nun vieles falsch gemacht wurde – wie geht es richtig? Zunächst fängt man keinen Streit an, den man nur verlieren kann. Wenn ein Muslim auf Allah komm raus beten will, ist es Schulen angeraten, eine Lösung zu finden. Andere Schulen mit Migrantenkindern schaffen das auch. Es wäre auch wichtig, um dem Betritual den Charakter der Provokation zu nehmen. Denn nur , wenn es als Geste pubertärer Auflehnung, als Ausdruck eines diffusen kollektiven Dagegenseins – und das unter dem Schutz eines Grundrechts – gedeutet werden kann, könnte es wirklich ansteckend wirken. Die meisten Muslimkinder aber bleiben, wie ihre nichtmuslimischen Klassenkameraden, gerne morgens länger im Bett und spielen in den Schulpausen.

Was können Yunus und seine Freunde tun? Heute noch nicht viel, aber später. Es ist ein Trauerspiel, dass wir einen Großteil der Integrationsarbeit autoritativ von den Gerichten steuern lassen. Es ist auch ein Indiz für das Versagen eines Dialogs. Schuld daran sind vielfach die Muslime selbst, insbesondere die liberalen, westlich orientierten unter ihnen. Sie überlassen den Traditionalisten das Reden und Schreiben über ihre Religion, weil sie gelernt haben, dass sie sich schnell zwischen die Stühle setzen können. In ihrer Furchtsamkeit und ihrem Zweifel, vielleicht auch in ihrer Bequemlichkeit sind sie – etwas zu deutsch.

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