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Meinung: Bildschirmherrschaft

Jedes Gefecht, jedes Gerücht: Was CNN und BBC unterscheidet – auch von anderen

Von Caroline Fetscher

Noch nie, sagte der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unlängst stolz auf einer Pressekonferenz, habe es in einem Krieg derartig viele Journalisten derartig dicht am Geschehen gegeben: Nie war der Krieg so transparent wie heute.

In der Tat. Pausenlos kann, wer will, sich über jedes Scharmützel, jedes Gerücht informieren. Dabei gibt es so viele Versionen, wie es Sender gibt, und Millionen Erdenbürger nehmen sie auf. Aber: Zwei große, globale Medienkulturen, die der Sender BBC und CNN, werfen ihre Netze am weitesten und effektivsten aus. Sie stehen für die Globalisierung des Blickes.

In diesen beiden Global Media Players spiegeln sich prototypisch zwei Entwürfe der Welt. Gemeinsam spannen die beiden angelsächsischen Sender ein News-Netz um die Welt, das sie immer da am dichtesten knüpfen können, wo gerade die Musik spielt. Entwurf eins, CNN: Amerika-ist-die-Welt (Folklore). Entwurf zwei, BBC: Die Welt ist alles, was der Fall ist (Jazz).

Im Augenblick sind beide Weltsender, vergessen wir das nicht, auch Sender der Länder der Allianz gegen Saddam, USA und Großbritannien. Wo CNN der Welt die amerikanische Perspektive bietet, oft Eins-zu-Eins, wenn etwa Rumsfeld, Bush, Rice oder Cheney einfach zusammengefasst werden, sobald sie gesprochen haben, da erlaubt sich BBC ungleich mehr Kommentare von allen Seiten und Ländern, von Nahostexperten wie Zeithistorikern. In den Kommentaren auch der Reporter, die „embedded“ in Amman, Bagdad oder Doha eingesetzt sind, floriert mit „es sei“, „er werde“, „man habe“, eher der Konjunktiv, bei CNN regiert der Indikativ: „Es ist“ , „er wird“, „man hat“.

Kaum denkbar, dass ein BBC-Reporter auf der Straße von Basra nach Bagdad im Ton eines Ilias-lesenden Sextaners oder Video spielenden Jungen erklärt: „Wenn das die Iraker sehen würden, was hier für Rüstung ranrollt!“ So rief am Samstag ein begeisterter CNN-Mann aus der Sandwüste in die Kamera. Zwar ließ sich BBC’s Scholl-Latour, John Simpson, in seiner Euphorie am Tag der Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul zu dem Ausruf hinreißen, es sei „ein wunderbares Gefühl, eine Stadt zu befreien“. Doch noch wochenlang spottete die anglophone Presse, wenn auch im Ton liebevoll, über „John of Kabul“. Der hat inzwischen seine sachte Ironie wiedergewonnen, jene Distanz, die BBC den Charakter gibt.

Jeder soll zu Wort kommen, bei BBC World Television. Das Post-Empire Britannien hat seinen kolonialen Weltsender weiterentwickelt, so dass er nahezu UN-Television heißen könnte, während die Ex-Kolonie Amerika auf sich bezogen bleibt. Gleichwohl ist auch der Trend zu beobachten, dass beide in ihrer Rivalität einander befruchten und voneinander lernen.

So hat die bei beiden Sendern zunächst ausgeprägte Personalisierung des Irak-Themas – Bush versus Saddam – in diesen Tagen nachgelassen, umfassendere Kommentare haben zugenommen. Eines muss uns Europäern, den nicht-angelsächsischen, ganz klar werden: Da draußen gibt es eine eigene, starke Medienwelt, mit der unsere nirgends – und gewiss nicht mit Euro-News – standhält. Uns fehlt der breite, flüssige Anschluss an die Lingua Franca der Welt – und uns fehlt, wer weiß, vielleicht auch die Vision.

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