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Meinung: Bin Laden hilft dem Umweltschutz

Und Bush liefert den Klimaschützern wichtige strategische Argumente

Ökologen sind normalerweise keine Bush- Freunde. Aber was der US-Präsident vergangene Woche in seiner Rede zur Lage der Nation gesagt hat, sollte sie aufhorchen lassen. „Amerika ist süchtig nach Öl“, meinte der Präsident. Und er hat angekündigt, die Abhängigkeit der USA von Öl aus dem Nahen Osten um 75 Prozent bis zum Jahr 2025 zu reduzieren. Ersetzt werden soll der Energiebedarf auch durch erneuerbare Energien. Für die Erforschung von sauberem Strom will der Präsident 22 Prozent mehr Geld ausgeben.

Wenn es bisher eine Verbindung gab, die für unumstößlich galt, dann war es die zwischen George W. Bush und „big oil“. Aber selbst der Präsident der Ölfirmen konnte nicht länger ignorieren, dass die Abhängigkeit der Welt von problematischen, ölproduzierenden Regimen sich zu einem ernsten Sicherheitsproblem auswächst. Beispiel Iran: Dass der Westen keine besseren Druckmittel gegen die Mullahs hat und sich vor allem China sträuben wird, im UN-Sicherheitsrat harte Sanktionen zu beschließen, liegt an der Abhängigkeit der Weltwirtschaft von Energielieferanten wie Iran. Die momentane Energieknappheit und die daraus resultierenden hohen Ölpreise schränken die Handlungsfähigkeit der Weltgemeinschaft in Sachen Atomprogramm erheblich ein.

Von fast ebenso großer strategischer Bedeutung ist der Zusammenhang von Diktaturen und Öl im Nahen- und Mittleren Osten. Die Unterdrückungsregime in der Region und der durch sie verursachte Stillstand der arabischen Gesellschaften sind die wichtigste Ursache dafür, dass sich in der arabisch-muslimischen Welt jene Wut aufgestaut hat, die sich etwa im islamistischen Terrorismus entlädt. Wegen unseres Ölhungers haben wir in den letzten Jahrzehnten die Regime der Region gestützt, aus Angst vor Unruhen, die unsere Energieversorgung gefährden könnten. Die Modernisierungskrise der arabischen Welt ist also untrennbar mit unserem Ölverbrauch verbunden.

Hinzu kommt, dass viel von dem Ölgeld, welches wir nach Saudi-Arabien überweisen, dazu verwandt wird, die fundamentalistische Ideologie der Wahabiten in Religionsschulen in der ganzen Welt zu verbreiten. Wir finanzieren mit unseren Euro eine zutiefst antiwestliche Ideologie.

Bushs Erkenntnis, dass wir uns die politischen Kosten unserer Ölabhängigkeit vom Nahen und Mittleren Osten nicht mehr leisten können, kommt reichlich spät. Aber in ihr liegt eine Chance für die ganze ökologische Bewegung. Nicht nur, dass Deutschland auf vielen Gebieten der erneuerbaren Energien technologischer Marktführer ist. Ökologische Argumente werden durch die Wende von Bush nun auch zu harter außenpolitischer Währung. Denn wer die Warnungen vor den Klimafolgen der Verbrennung fossiler Energieträger nicht ernst nimmt, wird wenigstens für die sicherheitspolitischen Folgen unser Abhängigkeit von nahöstlichen Despotien ansprechbar sein.

Es ist an der Zeit, dass die Ökologiebewegung sich mit einem Arsenal von außenpolitischen Argumenten ausstattet. Denn gerade das konservative Amerika, das den Kampf für Kyoto für eine esoterische Idee der Europäer hält, wird sich den Ökoargumenten im Kampf gegen den Terror kaum entziehen können. Jede Fahrt mit dem Benzin schluckenden SUV zur Tankstelle ist eine lebensspendende Injektion für bin Laden – mit solchen Slogans werden Umweltschützer Bush in Zukunft vor sich hertreiben können. Am besten sofort, schließlich bleibt der gerade von Bush vorgestellte US-Haushalt schon hinter seinen Worten von vergangener Woche zurück.

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