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Biosprit E10: Selbstbetrug im Tank

Tempolimite oder Anreize, weniger zu fahren, kommen bei den deutschen Wählern schlecht an, also fordert das niemand ernsthaft. Dieses Defizit soll Biosprit beheben – und kann es nicht.

So erfolgreich war noch nicht einmal Greenpeace. Als der Mineralölkonzern Shell im Jahr 1995 eine Förderplattform in der Nordsee versenken wollte, rief die Umweltorganisation zu einem „Tankboykott“ auf, und die Hälfte der deutschen Autofahrer machte mit. Diesmal haben Boykottaufrufe einiger winziger Bürgerinitiativen gereicht. 70 Prozent der Autofahrer weigern sich, den neuen Supertreibstoff E10 zu tanken. Dass die Motivation dafür die Sorge um die Umwelt ist, kann dennoch ausgeschlossen werden. Die meisten Autofahrer haben Angst um ihren Motor, obwohl 93 Prozent der Fahrzeuge den neuen Sprit problemlos vertragen.

Dabei gäbe es gute Gründe, die Beimischung von bis zu zehn Prozent Agrartreibstoffen, daher „E10“, aus ökologischen Gründen abzulehnen. Der sogenannte Biokraftstoff soll eigentlich die Klimabilanz des Verkehrs verbessern. Das ist aber schwerer getan, als sich die Strategen der Bundesregierung und der EU-Kommission das 2008 gedacht haben. Damals beschloss die Europäische Union eine Richtlinie, die bis 2020 einen Anteil von zehn Prozent erneuerbarer Energien im Verkehrssektor vorschreibt. Die Kanzlerin hieß damals schon Angela Merkel (CDU). Ihr Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte ebenfalls großes Verständnis für die Autoindustrie. Die Beimischung von Agrartreibstoff sollte es den Herstellern erleichtern, ihren Kohlendioxidausstoß pro Kilometer bis 2012 auf 120 Gramm zu senken. Die Beimischungsquote war vor allem Schutz für die Autoindustrie vor dem Klimaschutz.

Dass Agrartreibstoffe überhaupt als Klimaschutzinstrument für den Verkehr gelten, hat viel mit der Fantasielosigkeit der Politik zu tun. Tempolimite oder Anreize, weniger zu fahren, kommen bei den deutschen Wählern schlecht an, also fordert das niemand ernsthaft. Dieses Defizit soll Biosprit beheben – und kann es nicht. Es ist nicht besonders effizient, Biomasse im Autoverkehr einzusetzen. Erheblich mehr Kohlendioxid ließe sich vermeiden, wenn man Biomasse in Kohlekraftwerken statt Kohle verfeuert und daraus Strom und Wärme erzeugt werden.

Biosprit bringt noch mehr Probleme mit sich: In einer Welt, in der die Mittelschichten überall wachsen, steigt der Fleischkonsum gewaltig. Dafür braucht es mehr Flächen, um Futtermittel anzubauen. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung; derzeit hungert rund eine Milliarde Menschen. Wer das nicht hinnehmen möchte, muss die vorhandenen Acker- und Weideflächen für die Nahrungsmittelproduktion nutzen. Doch der Klimawandel bringt es mit sich, dass wichtige Agrarexportregionen wie Australien, die Ukraine oder Russland im vergangenen Jahr als Weizenproduzenten nahezu ausgefallen sind. Gleichzeitig lassen immer mehr Staaten Lebensmittel für ihre Bevölkerungen im Ausland produzieren. Seitdem die Lebensmittelpreise 2008 auf ihren bisherigen Höhepunkt stiegen, ist daraus eine regelrechte Welle geworden. Und dann kommt zu alldem auch noch die Biomasseproduktion für Agrarsprit dazu.

Trotz aller Nachhaltigkeitsverordnungen wird es kaum zu verhindern sein, dass Regenwälder, Grünland oder Moore in Äcker umgewandelt werden. Eine globale Raumplanung zeichnet sich nicht ab. Es ist nicht so, dass gar kein Agrarsprit gebraucht würde. Schiffe oder Flugzeuge lassen sich wohl nur mit Erdöl oder Biosprit antreiben. Aber der Spritbedarf für den Autotank ist einfach zu groß, als dass er auf umweltverträgliche Weise gedeckt werden kann.

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