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Meinung: Bis an die Grenze

Amerika droht Syrien mit Krieg – aber will es ihn wirklich führen?

Er bekomme seine Befehle inzwischen nicht mehr aus Bagdad, sondern aus Damaskus, hat der irakische Botschafter in Istanbul gestern gesagt. Ein weiterer Hinweis darauf, dass Syrien hohen irakischen Funktionären Unterschlupf gewährt. Die US-Regierung hat zudem Belege dafür, dass irakische Massenvernichtungswaffen nach Syrien gebracht wurden, um sie dem amerikanischen Zugriff zu entziehen. Der anschwellende Drohgesang aus Washington zeigt: Syrien spielt mit dem Feuer.

Das Regime Baschar al Assads stand ohnehin auf der Liste problematischer Staaten. Wer seit Jahrzehnten Terroristen beherbergt, sie zu Aktionen gegen Israel ermuntert und gleichzeitig an Massenvernichtungswaffen arbeitet, darf nach dem 11. September nicht damit rechnen, dass die Bush-Regierung einfach wegsieht. Die versuchte es zunächst mit stiller Diplomatie: Bei der Verfolgung von Al-Qaida-Terroristen bekam die CIA wertvolle Hinweise aus Damaskus. Im Vorfeld des Irak-Krieges scheint Syrien dann aber US-Forderungen ignoriert zu haben, keine Waffen mehr an Saddam zu liefern. Nun soll es Hinweise dafür geben, dass Syrien mit der Hisbollah Anschläge gegen US-Truppen plant. Zudem sind unter den freiwilligen Kämpfern im Irak viele Syrer. Die Strategie von Damaskus: Die USA sollen im Irak ein Debakel erleben wie 1983 im Libanon, als die von Syrien unterstützte Hisbollah ein verheerendes Selbstmordattentat auf amerikanische Marines verübte und die US-Truppen schließlich abzogen.

Der schnelle Fall Saddams hat eine Welle von „Schock und Ehrfurcht“ über den Globus gesandt. Nordkorea hat die Zeichen der Zeit erkannt und im Atomstreit ein wenig eingelenkt. Jetzt wollen die USA ähnliche Zugeständnisse von Syrien. Denn der Krieg wäre nur halb gewonnen, wenn sowohl die vermuteten Massenvernichtungswaffen als auch die Führung des alten Irak in Richtung Syrien verschwinden würden. Und so nutzt Washington die Dynamik des Krieges zu einer politischen Überwältigungsstrategie. Die Botschaft: Unsere Truppen sind schon hier. Ihr habt gesehen, dass wir nicht lange fackeln. Es wäre besser, ihr übergebt uns die irakischen Politiker und Wissenschaftler samt den von ihnen entwickelten Waffen und stellt eure eigenen Programme gleich mit ein. Kann man solchen Argumenten widerstehen?

Drohungen sind dann besonders effektiv, wenn der Bedrohte nicht einschätzen kann, wie ernst sie gemeint sind. Syrien soll mit dem Schlimmsten rechnen müssen, um allen Grund zu haben, dieses Schlimmste abzuwenden. Unangenehmer Nebeneffekt: Auch der Rest der Welt weiß nicht, wie ernst es den Amerikanern ist. Und ob nicht doch eine Reihe von Abrüstungskriegen bevorsteht.

Wie man anders mit den USA umgehen kann, zeigt der Iran. Teheran vermeidet seit Monaten Konflikte mit den USA und hat am Anfang des Krieges umgehend auf scharfe Worte aus Washington reagiert. Syrien hingegen lässt seit Tagen zu, dass die Hisbollah vom Südlibanon aus Israel bombardiert. Und macht so erneut deutlich, dass das Regime ein Hauptgegner des neuen Nahen Ostens ist und auch in Zukunft palästinensische Terroristen unterstützen wird, um einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu hintertreiben. So handelt, wer sich als nächstes Ziel der Amerikaner empfehlen will.

Dennoch ist eine Militäraktion gegen Syrien unwahrscheinlich. Es ist schwer vorstellbar, dass die amerikanische Öffentlichkeit eine Ausweitung des Krieges akzeptieren würde. Wie Außenminister Colin Powell andeutete, werden die Amerikaner eher zu Sanktionen greifen – auch, um die Partner nicht zu düpieren, allen voran die Briten. Aber ganz sicher kann und darf sich der junge Diktator in Damaskus nicht sein. Denn Assad muss endlich umdenken. Anders wird für ihn kein Platz sein im neuen Nahen Osten.

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