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Bitte recht freundlich. Noch viel besser: einfach langsam fahren.

© dpa

Blitzer-Marathon: Verkehrskontrollen retten Leben

Die massenhafte Tempokontrolle wurde im Vorfeld viel kritisiert. Doch was ist so schlimm daran, dass die Polizei auf die Einhaltung von Tempolimits pocht? Schließlich ist Raserei die häufigste Todesursache im Straßenverkehr.

Von Michael Schmidt

Abzocke! Wegelagerei! Autoritäres Volkserziehergehabe! Der Ton der Blitzmarathon-Kritiker ist schrill, das Vokabular der „Freie-Fahrt-für-freie-Bürger“-Propagandisten martialisch. Doch was ist daran so unerträglich unverschämt, dass die Polizei auf die Einhaltung von Tempolimits pocht? Dass sie den Verkehr kontrolliert, groß angekündigt, bundesweit, 24 Stunden lang, mit Tausenden Polizisten an Tausenden zuvor ausgewiesenen und veröffentlichten Stellen? Das ist nicht schikanös, das ist das, was man von der Polizei erwarten kann und muss: sinnvolle Unfallprävention.

Wir reden über keine Kleinigkeit. Mag die Zahl der Verkehrstoten auch seit Jahren stetig sinken und zuletzt einen Tiefstand erreicht haben – im vergangenen Jahr starben gleichwohl 3606 Menschen bei Verkehrsunfällen. Nichtangepasste Geschwindigkeit, wie das die Experten nennen, ist dabei die häufigste Todesursache im Straßenverkehr, Raserei der Killer Nummer eins: Jeder dritte Verkehrstote ist auf zu schnelles Fahren zurückzuführen. Auf den Autobahnen sogar jeder zweite. Nicht durch Drogen-, nicht durch Schusswaffenmissbrauch kommen in Deutschland so viele Menschen Jahr für Jahr ums Leben.

Tempo-Junkies und Drängler

Wer den Dingen ihren Lauf lässt und Tempo-Junkies und Dränglern – möglichst noch mit Handy in der Hand, die Augen auf dem Navi-Gerät und auf den Ohren ACDCs „Highway to hell“ – nicht mit vermeintlich brachialen Methoden wie dem Blitzmarathon Einhalt gebieten will, muss sich fragen lassen, ob er nicht einer falsch verstandenen Liberalität das Wort redet. Von Geschäftemacherei seitens der Polizei zu reden, verbietet sich nun wirklich, da ein jeder wissen konnte, wo ihn was erwartet. Es durfte ja sogar die Bevölkerung mitentscheiden, an welchen Stellen man die Raser bremsen sollte.

Nein, das Problem ist ein anderes. Das Problem liegt vielmehr in der Frage, wie nachhaltig eine solche Aktion zu wirken vermag. Um das Bewusstsein für Gefahren zu stärken, könnte der gestrige Tag ein guter, bewusstesinsfördernder Ansatz gewesen sein. In NRW immerhin, wo es schon mehrere Blitzertage gab, zeigt die Erfahrung: Es könnte funktionieren – die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten ist hier seit vergangenem Jahr überdurchschnittlich stark gesunken.

Flächendeckende Kontrollen und härtere Strafen wären nötig

Dennoch reicht das nicht. Nötig wären kontinuierliche flächendeckende Kontrollen und härtere Strafen. Nötig wäre die besondere Ansprache junger Fahrer, denn die sind am stärksten gefährdet. Nötig wäre überhaupt das persönliche Wort, denn das ist wirkungsvoller als ein Bußgeldbescheid im Briefkasten Wochen nach dem Geschwindigkeitsvergehen. Und wünschenswert wäre eine Straßenbau- und Verkehrsplanung, die ihre Hausaufgaben macht und zum Beispiel an Ortseingängen Verkehrsinseln schafft, die den Verkehr automatisch langsamer machen.

Der Blitzmarathon sei fast unmöglich zu gewinnen, wenn vor einem alle so schleichen, zwitscherte gestern ein User via Twitter. Nun: Die Gewinner des Tages sind andere. Es sind jene Verschonten, die deshalb überleben, weil der eine oder andere künftig früher vom Gas geht.

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