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Schon vor der Geburt eines Kindes können Mediziner heute viel über seine Gesundheit sagen. Ob sie das auch immer sollen, ist umstritten.

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Bluttest auf Trisomie 21: Aus Angst vor uns selbst

Für Betroffene ist der Test ein Schritt hin zu einer Gemeinschaft, die Abweichungen von der Norm nicht als hinzunehmende, schicksalhafte Ereignisse versteht, sondern als etwas, für das jemand Verantwortung trägt. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet.

Von Anna Sauerbrey

Für das Unternehmen ist die Neuerung technischer Natur. Der „LifeCodexx PraenaTest“ ermöglicht es, ohne Risiko in der zehnten Schwangerschaftswoche festzustellen, ob ein Ungeborenes mit dem Down-Syndrom zur Welt kommen wird. Die Debatte aber wird mit großer Emotionalität geführt. Und selbst wenn man das kollektive historische Gewissen der Deutschen, aus dem die Eugenik Warnungen sendet, einmal ausklammert: Das ist verständlich. Schon deshalb, weil bereits heute fast alle werdenden Eltern betroffen sind. Denn eigentlich ist die Neuerung keine Neuerung. Die Pränataldiagnostik – und damit die „Selektion“ – ist Realität.

Für eine Bewertung kann man sich also zunächst den Ist-Zustand anschauen. Bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind mit Down-Syndrom muss abgewogen werden zwischen den Rechten der Mutter und den Rechten des ungeborenen Kindes. Eine schwangere Frau hat das volle Recht auf den Schutz ihrer Menschenwürde. Sie hat ein Recht auf Selbstbestimmung, und dazu gehört auch das Recht, alle verfügbaren Informationen zu erhalten, die für eine Entscheidung wichtig sind. Das ungeborene Kind hingegen existiert lediglich als Möglichkeit und erhält damit nur einen abgeschwächten Schutz.

Ein leichtfertiges Zerstören dieser Möglichkeit verbietet sich, dennoch dürfen die Rechte des Ungeborenen zu den Interessen der Mutter ins Verhältnis gesetzt werden. Die Entscheidung einer Frau, die Schwangerschaft im Fall einer Trisomie-Diagnose zu beenden, ist also in ethischer Hinsicht vertretbar, solange sie das nicht leichtfertig tut. Das Abtreibungsrecht trägt dem bereits Rechnung. Die Problematik, die in der Debatte um den neuen Trisomie-Test aufscheint, ergibt sich erst durch den Schluss, dass das Handeln der vielen einzelnen Eltern die Gesellschaft zum Schlechteren verändern könnte.

Für Betroffene ist der Test ein Schritt hin zu einer Gemeinschaft, die Abweichungen von der Norm nicht als hinzunehmende, schicksalhafte Ereignisse versteht, sondern als etwas, für das jemand Verantwortung trägt und Rechenschaft schuldig ist. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet. Zwar können Studien kein zunehmend behindertenfeindliches Klima feststellen. Eltern aber spüren einen wachsenden gesellschaftlichen Druck, die Schwangerschaft nach positivem Down-Test abzubrechen. Dennoch wäre es falsch, den Test nicht zuzulassen. Die Gesellschaft hat eine ganze Reihe anderer Mittel der Steuerung: Die Medien informieren über das Leben mit dem Down-Syndrom, Beratungsstellen klären auf, integrierte Schulen lassen Andersartigkeit zur Normalität werden.

Andersherum gibt es kein Recht auf einen künstlichen Zustand seligen Nicht- Wissens. Der Wunsch danach scheint sich aus einem vorschnellen Misstrauen in uns selbst zu speisen. Er ist ein Zeugnis der Angst vor Leichtfertigkeit im Umgang mit ungeborenem Leben, mit Blick auf eine technisch nicht allzu ferne Zukunft, in der wir alles über das Ungeborene wissen könnten. Die überwiegende Mehrheit der Eltern aber ist fern jeder Leichtfertigkeit. Sie ist weder behindertenfeindlich noch vom Wunsch nach blonden, klassenbesten Supersportlern beseelt. Die Mehrheit der Eltern wünscht sich einfach ein gesundes Kind. Ein Wunsch, der mit dem harmonischen Zusammenleben mit Behinderten nicht kollidiert.

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