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Während des Confed-Cup gingen in Brasilien Zehntausende auf die Straße, um gegen die Fifa zu protestieren.

© dpa

Brasilien und die WM 2014: Nicht immer ist die Fifa schuld

Während Brasilien gegen die Erbauung millionenschwerer Fußballpaläste protestiert, bemüht sich Staatspräsidentin Dilma Rousseff, ihr Land als schöne Kulisse zu präsentieren. Die Fifa als Schurken hinzustellen - das kommt auch ihr gelegen. Zugegeben: Die Fifa hat tatenlos zugesehen. Aber übernommen hat Brasilien sich ganz alleine.

Na, das war doch eine schöne Einstimmung auf die Fußball-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr. Mit Palmen, Strand und Sambatänzerinnen, während das frierende Europa von „Xaver“ durcheinandergewirbelt wurde und sehnsüchtig hinüberschaute zur WM-Auslosung nach Costa do Sauipe. Brasilien, du hast es besser!

So wollte sich Brasilien inszenieren, so hat sich Brasilien inszenieren lassen. In einem abgeriegelten Ferienparadies weit weg von der brasilianischen Wirklichkeit, denn diese spiegelt sich auch im südamerikanischen Sommer in maroden Krankenhäusern, Schulen und Straßen wider. Dagegen hatte das Volk im vergangenen Sommer demonstriert, als ein kleiner Teil der Fußballwelt zu Gast war, um den Confed-Cup als WM-Generalprobe zu begehen. Das Volk hatte nicht verstehen wollen, warum seine Regierenden so viel Geld in millionenschwere Fußballpaläste investieren und so wenig in die Beseitigung von sozialer Ungerechtigkeit. Also nutzte das Volk die Bühne Fußball und zeigte der Welt auf tage- und nächtelangen Demonstrationen, wie schlecht es sich regiert fühlt. Tränengas wehte hinüber von den Straßen in die Stadien.

Die Fifa gibt einen prima Schurken ab

Das war ein Warnsignal und es hat gewirkt. Die Regierenden feiern ihre Feste mit den Granden der Fußballwelt jetzt dort, wo das Volk keinen Zutritt hat. Ansonsten macht das regierende Brasilien dort weiter, wo es nie aufgehört hat. Die Schule und Krankenhäuser und Straßen sind noch ein bisschen maroder geworden. Und die Staatspräsidentin Dilma Rousseff darf zufrieden registrieren, dass all das gar nicht allein auf sie zurückfällt. Sie hat ja noch die Fifa.

Die Fifa gibt einen prima Schurken ab. Eine durch nichts als sich selbst legitimierte Weltregierung des Fußballs, die alle vier Jahre in einem anderen Land ein WM-Turnier veranstaltet, keine Steuern zahlt, viel Geld mitnimmt und nichts hinterlässt außer Schulden und Weißen Elefanten.

Natürlich trägt die Fifa eine zumindest moralische Verantwortung für das, was in ihrem Namen geschieht. Auf den Baustellen in Katar und Brasilien, wo Arbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften oder wegen katastrophaler Sicherheitsstandards zu Tode kommen – wie gerade erst in São Paulo. Aber, und diese Einschränkung kommt angesichts des prima Schurken Fifa immer ein wenig kurz: Das, was in Brasilien geschehen ist und immer noch geschieht, ist zuvorderst eine brasilianische Angelegenheit.

„Wir haben Brasilien die WM nicht aufgezwungen!“

Es ist an den Brasilianern, für sichere Baustellen zu sorgen, für funktionierende Schulen und Krankenhäuser. Joseph Blatter, der aus sehr guten Gründen sehr umstrittene Fifa-Präsident, hat während der Proteste rund um den Confed-Cup den Satz gesagt: „Wir haben Brasilien die WM nicht aufgezwungen!“ Das wirkte ein wenig anmaßend und ignorant angesichts des Forderungskatalogs, mit dem die Fifa noch in jedes WM-Gastgeberland eingefallen ist. Aber so ganz falsch war das nicht. Ja, die Fifa hat tatenlos zugesehen, aber übernommen hat Brasilien sich ganz alleine.

Staatspräsidentin Dilma Rousseff hat sich bei der Auslosung in Costa do Sauipe wie ein sprechendes Püppchen auf die Bühne gestellt und der Welt die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten versprochen. Keinen einzigen Satz der Trauer hat sie dem Tod der beiden Arbeiter auf der Stadionbaustelle von São Paulo gewidmet. Keinen einzigen Satz, aus dem sich schließen lässt, dass die WM eine Investition sein könnte in Brasiliens Zukunft jenseits von Flanke, Schuss und Tor. Die Staatspräsidentin ist zufrieden damit, dass sich ihr Land als schöne Kulisse präsentieren darf, mit Stränden, Palmen und Sambatänzerinnen.

Dilma Rousseff ist dabei, die Chance zu verspielen, die ihr noch bleibt nach dem Warnsignal vom Confed-Cup. Wenn die Regierenden nicht zugehen auf die Regierten, wird diese Weltmeisterschaft nicht nur als Fußballfest in Erinnerung bleiben.

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