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Meinung: Brücke an den Bosporus

Von Jost Müller-Neuhof

Einer hat letzte Nacht besonders gut geschlafen, ein gelernter Rechtsanwalt, und Rechtsanwälte lieben es immer, vor Gericht zu siegen. Der Anwalt ist mittlerweile Innenminister, einen Prozess hat er trotzdem geführt: Um die Ausweisung des Islamisten Metin Kaplan. Die lag ihm so sehr am Herzen, dass er immer wieder gesagt hat, wie falsch doch das erste Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts war. Es hatte Kaplans Abschiebung in dessen Heimat verboten, weil Polizei und Justiz in Ankara nicht zu trauen sei.

Otto Schily hat seine Prozesse immer über die Medien geführt, heute täte er gut daran, es zu lassen. Er ist nicht mehr Anwalt, sondern Staatsgewalt. In der Sache indes hat er Recht. Das Kölner Gericht hatte sich seinerzeit ein Urteil des Düsseldorfer Oberlandesgericht zu eigen gemacht, dass Kaplans Auslieferung aus Misstrauen gegenüber der türkischen Justiz untersagte. Nur: Auslieferung ist Rechtshilfe für ein anderes Land, die Abschiebung aber dient dem Schutz des eigenen. Da gelten andere Maßstäbe.

Die Regierung Erdogan hat die Türkei zu einem Rechtsstaat ausgebaut wie keine vor ihm. Dies würdigt das Gericht jetzt, denn seit 2003 hat das Land seine Strafprozessordnung für eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geöffnet. Kaplan wird sie nicht erheben müssen. Im Zweifel bekommt er den fairsten Prozess, den ein Türke je hatte, weil Erdogan weiß, dass mit jedem Verhandlungstag auch die Glaubwürdigkeit des Landes im Ringen um einen Beitritt zur Europäischen Union auf dem Spiel steht.

Was das Urteil nicht ist: Eine Absolution der Abschiebung als Antiterrorinstrument. Kaplan war ein Sonderfall , ein ziemlich klarer: Deutschland muss keine verurteilten Schwerverbrecher dulden. Möglicherweise jedoch nichtverurteilte: Denn sie gelten als unschuldig. Ob hier neue Gesetze fällig sind, wird sich auch bei der geplanten Abschiebung von Abdelghani Mzoudi und Mounir al Motassadeq erweisen. Vielleicht werden Ausländer bald auf Verdacht aus Deutschland geworfen. Nur sollte es, bitte, einer sein, der sich auch belegen lässt. Wir können nicht von den Türken den Rechtsstaat verlangen und ihn selbst nicht bieten.

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