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Meinung: Brutal, provinziell, inkompetent

Die US-Regierung unterstützt Israel – zum Schaden aller Von Norman Birnbaum

Die US-Außenministerin ist nach Europa und in den Nahen Osten gefahren, angeblich um die Bemühungen zur Lösung der Libanonkrise zu koordinieren. Wenn die Europäer geeint wären, müssten sie diese Aufgabe selbst übernehmen, anstatt sie der transatlantischen Supermacht zu überlassen, deren Führung zynische Brutalität mit arroganter Provinzialität und politischer Inkompetenz verbindet. Und Condoleezza Rice? Wer ist diese Frau?

Geboren wurde sie im Südstaat Alabama, in dem die Menschen nach Rassen getrennt waren, zur Zeit der entstehenden Bürgerrechtsbewegung. Ihre Familie bestand aus fundamentalistischen Protestanten, und mit Präsident George W. Bush teilt sie die stets eindeutige Moralität einer engen Interpretation des Alten und Neuen Testaments: Auf der einen Seite stehen die Böswilligen, auf der anderen die Gerechten. Zu den Letzteren zählen natürlich die Vereinigten Staaten und all jene, die über die sündhafte Welt hinauswachsen. Dr. Rice hat von der Bürgerrechtsbewegung profitiert und hat dies in ihrem Lob der amerikanischen Tugenden in Erinnerung gerufen. Aber sie hat sich kaum je mit den anhaltenden Rassenproblemen in den USA befasst.

Zum ersten Mal reden hörte ich sie 1983 in der Bundesrepublik während einer Diskussion zum Kalten Krieg. Sie hatte eine technische Sicht der Rüstungskontrollproblematik und schien mit den Tiefen der modernen Geschichte nicht sehr vertraut zu sein. Ihre brillante Karriere hat sie in erster Linie ihrem Ehrgeiz, ihrer Intelligenz und Ausdauer zu verdanken, ausgestattet auch mit den Qualitäten einer fleißigen Beamtin. Im ersten Wahlkampf von Bush publizierte sie einen Artikel in der Zeitschrift „Foreign Affairs“, in dem sie die Strategie des „nation building“ aufgab und sich für eine eingeschränkte Definition von US-Interessen einsetzte. Dieses Konzept wiederum wurde durch die theologische Sicht des Präsidenten ersetzt, die er nach der Verletzung des US-Narzissmus durch die Anschläge vom 11. September 2001 eingenommen hatte.

Es gab durchaus Nationale Sicherheitsberater mit Überzeugungen und Macht – Bundy, Kissinger, Brzezinski. Andere koordinierten effektiv die komplexe auswärtige Diplomatie. Rice dagegen überließ sämtliche Initiativen Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Sie funktionierte, wenn überhaupt, als Apologetin der präsidialen Entscheidungen. Die Legitimation von Entführung und Folter, der Angriff auf den Irak, die systematische Verunglimpfung der Europäer, die Kampagne gegen den Islam: All das fand ihre enthusiastische Zustimmung. Wegen ihrer treuen Dienste wurde sie vom Präsidenten schließlich zur Außenministerin befördert – eine Position, die sie kräftig zur Eigenwerbung benutzt.

Die US-Außenministerin befehligt ein Amt mit Tausenden von erfahrenen Beamten. Viele von ihnen haben eine differenzierte Sicht auf die Welt jenseits unserer Grenzen. Bedrängt von ihren Mitarbeitern und angesichts der Katastrophe des Unilateralismus hatte sich Rice zunächst ein wenig auf andere Nationen zubewegt. Doch all das wurde wieder zunichte gemacht durch die amerikanische Unterstützung Israels in den vergangenen Wochen – die Ermutigung, ein Gemetzel zu veranstalten. Die Behauptung, die US-Regierung sei an einem anhaltenden und gerechten Ausgleich in der Region interessiert, hat sich als Heuchelei erwiesen. Die Koordination der amerikanischen und israelischen Politik ist nahezu perfekt. All jene Diplomaten, Generäle und Geheimdienstler, denen klar ist, dass Amerika einen hohen Preis für diese Einseitigkeit wird zahlen müssen, wurden ignoriert.

Die oberste US-Diplomatin hat nun erklärt, dass die Diplomatie nicht zu ihren Aufgaben gehört: Weder wird sie direkte Gespräche mit Iran und Syrien führen noch mit der Hisbollah. Die Israelis wiederum haben eine Nato-Einheit für den Libanon vorgeschlagen, mit anderen Worten: Die Europäer sollen Israel und die USA in ihrem Kampf gegen die Hisbollah unterstützen. Frau Rice wird diese Idee sehr attraktiv finden. Jene Amerikaner allerdings, die für eine Restrationalität in der Politik plädieren, hoffen, dass sich die Europäer nicht zu Komplizen eines imperialen Projektes machen, das Chaos und Zerstörung über den Nahen Osten gebracht hat.

Der Autor, Jahrgang 1926, ist emeritierter Geschichtsprofessor an der Georgetown-Universität in Washington D. C.

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