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Bundesliga: Der normale Wahnsinn

Bayern, Hamburg, Schalke, Wolfsburg: Fußballvereine agieren so unberechenbar wie die Politik – das macht ihren Reiz aus.

Fußballphilosophen leiten ja gerne gesellschaftliche Entwicklungen von sportlichen ab, ersatzweise auch umgekehrt. Da werden Spielsysteme mit vorherrschenden Lebensgefühlen verglichen, Führungsfragen auf dem Platz mit denen in der Politik. Übertragen auf das Trainerhopping dieser Tage würde das bedeuten: Jetzt sind sie wohl alle verrückt geworden.

Doch abgesehen von der unbestreitbaren Tatsache, dass es auch in der Politik ein paar Verrückte gibt, herrscht in der Bundesliga eigentlich nur der normale Wahnsinn. Trainer kommen und gehen, und mit ihnen Ideen, Systeme und Hoffnungen. Was bleibt? Nur die Erkenntnis, dass Misserfolg im Sport allenfalls bedingt abwehrbar ist. Erstaunlich aber, dass darüber immer wieder aufs Neue Erstaunen herrscht.

Fußballvereine werden geführt wie Wirtschaftsunternehmen, mal besser, mal schlechter. Sie investieren, kalkulieren, schreiben Verluste ab, stellen Wirtschaftspläne auf, Mitarbeiter ein, werfen raus, fast so wie im echten Leben. Aber eben nur fast. Zweierlei unterscheidet einen typischen deutschen Fußballverein von, sagen wir mal, einer Fleischfabrik (obwohl es auch immer wieder Fleischfabrikanten ins Fußballgeschäft zieht): die Unsicherheit über die Geschäftsentwicklung ist höher, die Treffsicherheit bei der Auswahl des Spitzenpersonals ist niedriger.

Das Erste ist leicht zu erklären. Bei aller computergestützten Ausrechnerei bleibt der Mensch unberechenbar, im Tor, am Elfmeterpunkt, in der Viererkette. Das Zweite ist kaum zu verstehen.

Wenn ein hoch professionell geführter Spitzenverein wie Bayern München einen bekannten, erfahrenen Trainer engagiert, der nach relativ kurzer Amtszeit feststellt, dass man eine „unterschiedliche Philosophie“ verfolgt, dann ist offenbar mehr gestört als die Philosophie. Reden die eigentlich mal miteinander, bevor die einen Vertrag schließen? Wenn ein chaotischer Verein wie Schalke 04 einem hochgradig egomanen, autoritären Trainer auch noch einen Vorstandsposten verschafft und sich dann wundert, dass der sich verhält wie erwartet, wundert sich da noch wer?

Bei Schalke darf jetzt Ralf Rangnick ran, der Meister der ersten Monate, der immer erst glänzt, weil er blendet, aber dann schnell ermattet. Er war schon fast in Wolfsburg, aber dort geht jetzt Magath hin, der dort schon mal war, und Rangnick geht zu Schalke, wo auch er schon mal war. In drei Wochen spielt Schalke gegen Wolfsburg, spielt Rangnick gegen Magath, das wird ein Ding. Bayern versucht’s vielleicht mal wieder mit Heynckes, der HSV – ach Veh, irgendwer wird sich schon finden, Frankfurt: Skibbe raus!, Wolfsburg: Hoeneß weg und so weiter. Was fehlt: Nachhaltigkeit. Standhaftigkeit. Wie in der Politik. Aber das ist bestimmt nur ein Zufall.

Hier wie dort wird auf Sicht regiert, bis zur nächsten Umfrage, bis zum nächsten Spieltag. Aber nur in der Politik ist das fatal, beim Fußball – egal. Denn was wäre Fußball schon ohne die Verrückten? So was wie Politik vielleicht. Jedenfalls: ziemlich langweilig.

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