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Frank-Walter Steinmeier.

© REUTERS/MICHELE TANTUSSI

Ein Orden für zwei: Steinmeier adelt nicht nur Merkel, sondern entlastet auch sich selbst

Die Altkanzlerin wird vom Bundespräsidenten mit dem Großkreuz des Verdienstordens ausgezeichnet. Die Verleihung wirft auch ein besonderes Licht auf Steinmeier.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Ein schaler Beigeschmack bleibt, wenn der Bundespräsident die frühere Kanzlerin Angela Merkel mit dem höchsten möglichen deutschen Orden auszeichnet. Merkel und Steinmeier – das war doch immer ein Gespann, Steinmeier schlechthin für sie der politisch wichtigste Partner ihrer 16-jährigen Regierungszeit. Steinmeier war Merkels Außenminister in der ersten und der dritten Koalition, bis sie ihn, mangels Alternative, ins Schloss Bellevue ziehen ließ.

Ihren zweiten Wahlsieg 2009 hat Merkel unter anderem dem blassen SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier zu verdanken. Eine vierjährige zahnlose Opposition, formal angeführt von Steinmeier, gabs gratis oben drauf. Vor allem aber hat es Steinmeier Merkel ermöglicht, sich viel zu lange als Präsidial-Kanzlerin inszenieren zu können. Flapsig ausgedrückt: Eigentlich müsste Steinmeier von Merkel Dank und Orden empfangen.

Eine stille Übereinkunft

Zwischen Merkel und den Deutschen herrschte, zumindest bis zur Aufnahme der Flüchtlinge 2015, eine stille Übereinkunft. Erklären von Entscheidungen? Programmatische Ambition? Austragen von Kontroversen? Werben für Überzeugungen? Nicht bei Merkel.

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Die Kanzlerin ließ das Land im Ungefähren, ganz nach ihrem Motto „Sie kennen mich“. Sie bringt die Deutschen nicht aus ihrer – wie man heute weiß: trügerischen – Ruhe. Und die danken es ihr mit Zustimmung, in Umfragen und Bundestagswahlen. Gleich dreimal wählte die brave SPD Merkel zur Kanzlerin. Mit jeweils maßgeblichem Einsatz Steinmeiers, Ende 2017 sogar noch aus dem Schloss Bellevue heraus.

Als Merkel 2021, viel zu spät, das Kanzleramt verließ, war in Deutschland immer wieder zu hören, schon bald werde das Land Merkel vermissen. Von wegen. Wo immer es Defizite gibt – ob Digitalisierung, mangelhafter Ausbau regenerativer Energien oder die marode Infrastruktur der Bahn – verweisen die heute Regierenden auf Merkels Versäumnisse.

Nun ist Merkel gewiss nicht für die Verspätung jeder Regionalbahn verantwortlich. Ihr lange gepflegtes und vielfach gefeiertes Image als Krisenmanagerin aber ist zu Recht passé. Merkel hat Deutschland die wohl schwerste außen-, europa- und energiepolitische Krise hinterlassen.

Die deutsch-russische Pipeline Nordstream 2 verbrämte sie, vermutlich wider besseres Wissen, als „privatwirtschaftliches Projekt“. Hauptsache: Ruhe – selbst zu dem Preis, Deutschland noch abhängiger von Putin zu machen, noch Jahre nach der Annexion der Krim 2014.

Dass Steinmeier sie bei der Nachsicht mit Russland sogar antrieb, gar noch duldsamer mit dem Kreml umging, seinen „Freund Sergej“ Lawrow umgarnte, wie es Merkel mit Wladimir Putin immerhin vermied, all das lässt den schlechten Eindruck zu: Mit dem Orden adelt Steinmeier nicht nur Merkel, sondern entlastet sich selbst.

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