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Bundesrat: Kammer der Opposition

Es ist Wahlkampf, die Parteien haben die Geschäfte im Bundesrat übernommen – das hat Folgen. Ein Plädoyer für eine etwas andere Gewichtung im Bundesstaat.

Eine Revolution ist es nicht. Was am Freitag im Bundesrat passierte, ist zwar nicht alltäglich – und es ist natürlich ein Signal im Wahljahr 2013, wenn es den Oppositionsparteien gelingt, die Mehrheit dort zu übernehmen. Aber das eigentlich einschneidende Ereignis fand 2010 statt, als Schwarz-Gelb die Bundesratsmehrheit verlor. Die Regierung Merkel war seither auf Stimmen aus dem neutralen Lager der großen Koalitionen oder dem Oppositionslager angewiesen. SPD, Grüne und Linke können der Koalition nun freilich noch etwas mehr Sand ins Getriebe streuen (was unter umgekehrten Vorzeichen führende Sozialdemokraten und Grüne einst heftig beklagten).

Auch für die Landespolitiker jeder Couleur war der Mehrheitswechsel kein großer Tag. Denn ihr Gremium, der Bundesrat, wird nun zum Zwecke des Wahlkampfs von einer Länderkammer in eine Parteienkammer umfunktioniert. Damit aber wird nicht etwa die Bedeutung des Bundesrats unterstrichen, sondern seine Nachrangigkeit. Die Spitzen der Bundesparteien haben die Geschäfte übernommen. Das kann und darf Landespolitikern nicht gefallen.

Womit wir beim verfassungspolitischen Aspekt des Freitagsereignisses wären. Man sollte nämlich den Bundesrat nicht wichtiger nehmen, als er vernünftigerweise sein soll. Deutschland hat kein echtes Zweikammersystem, sondern eben jene ganz eigene Konstruktion mit dem Bundesrat als Kammer der Landesregierungen. Sie ist dem Bundestag nicht gleichgestellt wie etwa der Senat dem Repräsentantenhaus in den USA. Der Bundesrat ist zwar der Kern der bundesstaatlichen Ordnung, weil er die notwendige Verbindung darstellt zwischen Bundes- und Landesebene. Gäbe es ihn nicht, müsste man ihn erfinden. Aber er ist dem Bundestag nun einmal graduell etwas nachgeordnet – daher die Unterscheidung in Zustimmungsgesetze (absolutes Veto) und Einspruchsgesetze (aufschiebendes Veto). Der Bundesrat soll vor allem sicherstellen, dass der Bund bei seinen Entscheidungen sich nicht ohne weiteres über Regionalinteressen hinwegsetzt. Und dass die Länder, die steuerpolitisch und damit auch haushaltspolitisch von Bundesgesetzen abhängen und mit ihren Verwaltungen nahezu alle Bundesgesetze umsetzen, von Bundesregierung und Bundestag nicht zu sehr ans Gängelband genommen werden.

Der föderalistische Clou des Grundgesetzes ist nun aber jener Mechanismus, der die Macht des Bundesrates wachsen lässt, wenn der Bundestag den Ländern Gesetzgebungsaufgaben wegnimmt. Nicht alle Verfassungsgeber wollten sich 1949 freilich vorstellen, wie massiv und intensiv das geschehen würde. Dieser Mechanismus war als Zentralisierungsbremse gedacht, als Schutz der Landtage. Es hat nicht funktioniert. Das Grundgesetz muss hier als ein Fehlschlag gelten.

Das Ergebnis ist ein Riesenaufwand an Kooperation und Koordinierung. Und es macht den deutschen Bundesstaat teuer – vor allem bei den politischen Kosten. Der bürokratische Aufwand ist groß. Das macht den deutschen Föderalismus intransparent, umständlich, unflexibel. Und das wiederum trägt dazu bei, dass viele Bürger ihn mit Skepsis sehen. Was er nicht verdient hat. Insofern wäre es besser, der Bundesrat wäre weniger mächtig, die Landtage dafür lebendiger. Denn die Bundesrepublik ist, in Bund und Ländern, eine parlamentarische Demokratie. Und die findet vor allem in Bundestag und Landtagen statt.

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