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Meinung: Bundeswehr: Nicht nur Spiegel der Gesellschaft: Für Rechtsextreme ist die Armee besonders attraktiv

Erst die schlechte Nachricht: Die Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Vorfälle in der Bundeswehr hat im Jahr 2000 wieder deutlich zugenommen. Für das laufende Jahr ist nach den Zahlen der ersten beiden Monate keine Besserung in Sicht.

Von Robert Birnbaum

Erst die schlechte Nachricht: Die Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Vorfälle in der Bundeswehr hat im Jahr 2000 wieder deutlich zugenommen. Für das laufende Jahr ist nach den Zahlen der ersten beiden Monate keine Besserung in Sicht. Die gute Nachricht: Von den Negativ-Rekordjahren 1997 und 1998 sind wir gleichwohl weit entfernt. Und in all diesen Zahlen steckt eine zweite gute Nachricht: Die Frage nach dem Rechtsextremismus in der Truppe ist mittlerweile zu einem der Top-Themen im alljährlichen Bericht des Wehrbeauftragten geworden. Das Wegschauen hat ein Ende.

Das war nicht immer so. Erst das große Erschrecken im Jahr 1997, als Videos von drastischen Balkan-Kriegsspielen auf Truppenübungsplätzen auftauchten und Berichte über einschlägige "Kameradschaftsabende", hat die Politik für das Thema sensibilisiert. Nicht, dass es davor nicht auch schon Hakenkreuzgeschmiere auf Kasernentoiletten gegeben hätte. Nicht, dass nicht eine krude Mischung aus zweifelhafter Traditionspflege, plattem Antikommunismus und reaktionärem Chauvinismus schon vorher ein Problem gewesen wäre. Aber das Problem wurde geleugnet, allenfalls zum bedauerlichen Einzelfall erklärt. Inzwischen ist das anders, und das ist gut so.

Dem neuen Wehrbeauftragten Willfried Penner ist überdies zugute zu halten, dass er sich nicht mit der parteiübergreifend beliebten Erklärung zufrieden gibt, der Rechtsextremismus sei "von außen" in die Bundeswehr hineingetragen worden und die Armee also nichts weiter als ein Spiegel der Gesellschaft. Diese Spiegeltheorie ist beruhigend, aber falsch. Penner benennt, warum die Armee junge Männer mit rechtsextremen Tendenzen besonders anzieht: das Interesse am Umgang mit Waffen, die Vorliebe für Uniformen und strenge Führungsstrukturen.

Hintergrund: Auszüge aus dem Jahresbericht 2000 Stichwort: Der Wehrbeauftragte des Bundestages Der vollständige Jahresbericht 2000 zum Download

Damit ist das Problem beschrieben. Gelöst ist es noch nicht. Penner hat ja Recht, wenn er berichtet, dass in der Armee, bei Offizieren und Unteroffizieren die Sensibilität gewachsen sei. Ja, es wird inzwischen disziplinarisch und gegebenenfalls auch mit dem Strafrecht gegen Soldaten vorgegangen, die neonazistisches Gedankengut verbreiten oder Kameraden ausländischer Abstammung beleidigen. Ja, die politische und militärische Führung bemüht sich darum, mit unseligen Traditionen aufzuräumen.

Zugleich besteht aber die Gefahr, dass ein gewisser Anteil an Rechtsextremismus in der Truppe als normal hingenommen wird, so lange sich die Fallzahlen nicht wieder alarmierend nach oben entwickeln. Die Bundeswehr-Führung sollte sehr genau prüfen, warum die Zahl der Vorkommnisse wieder gestiegen ist. Liegt es daran, dass solche Vorfälle eher angezeigt werden als früher? Entspricht der neuerliche Zuwachs einem allgemeinen Trend der Gesellschaft? Oder gibt es spezielle, bundeswehr-eigene Gründe?

Und eine zweite Frage bedarf der Überprüfung: Reicht das Abwehr-Instrumentarium aus? Wenn Penner nämlich Recht hat, dass die Armee Rechtsextreme besonders reizt, muss die Armee besondere Gegenmechanismen entwickeln - also im Zweifel härter gegen solche Tendenzen vorgehen als im Zivilleben üblich. Der Wehrbeauftragte mahnt in seinem Bericht dazu, das Disziplinarrecht konsequent anzuwenden und nicht bei Soldaten, die ansonsten ihren Job gut machen, ein Auge zuzudrücken. Er wird wissen, warum er diesen Hinweis für angezeigt hält.

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