zum Hauptinhalt

Meinung: Bushs Abtreibungspolitik: Gleiche Praxis, neuer Sound

Kaum ein moralisches Problem ruft derart unterschiedliche Reaktionen hervor wie die Abtreibung. Mord und Totschlag wittern die Einen, gegen eine Einschränkung des Rechts auf Selbstbestimmung wettern die Anderen.

Kaum ein moralisches Problem ruft derart unterschiedliche Reaktionen hervor wie die Abtreibung. Mord und Totschlag wittern die Einen, gegen eine Einschränkung des Rechts auf Selbstbestimmung wettern die Anderen. In den USA ist das Thema besonders heftig umstritten. Es ist das einzige, bei dem es in einer ansonsten ziemlich zivilen Gesellschaft zu Handgreiflichkeiten kommt.

Am Montag hat sich der neue Präsident in der Abtreibungs-Frage deutlich positioniert. "Der Staat sollte durch Zahlung von Steuergeldern die Abtreibung nicht unterstützen", sagte George W. Bush und stellte per Dekret einen Zustand wieder her, den sein Vorgänger Bill Clinton vor acht Jahren verändert hatte: In Zukunft dürfen Gruppen und Kliniken, die außerhalb des Landes die Abtreibung befürworten oder durchführen, keine US-Steuergelder mehr erhalten. Bekamen sie in der Praxis auch unter Clinton nicht wegen der Republikaner im Kongress. Das klingt also nicht nur marginal, das ist es auch. Auf absehbare Zeit wird Bush weder Restriktionen im eigenen Land durchsetzen, noch gar die Gesetzesgrundlage verändern. Vor 28 Jahren hat das Oberste Gericht in Washington in einem historischen Urteil, das als "Roe versus Wade" bekannt ist, das Recht der Frau auf Abtreibung im wesentlichen garantiert. Dieses Urteil anzufechten, bräuchte Bush stärkere Kräfte, als er sie jemals haben wird.

Trotzdem war seine Tat mehr als eine unbedeutende Geste. Politik besteht zum großen Teil aus Symbolen. Und die erste Amtshandlung eines neuen Präsidenten ist nun mal gewichtiger als seine zweite oder dritte. Außerdem geschah sie just am Jahrestag des "Roe-versus-Wade"-Urteils, an dem Zehntausende Abtreibungsgegner regelmäßig protestierend durch die Straßen ziehen. Bush spürt offenbar, dass sich die Stimmung im Land gewandelt hat. Eine Mehrheit der Amerikaner (59 Prozent) befürwortet noch die Abtreibung "in den meisten oder allen Fällen", aber die Frage, ob die Entscheidung darüber allein bei der Frau liegen sollte, bejahen heute nur noch 35 Prozent. 1992 waren es 49 Prozent.

Möglich ist allerdings auch eine andere Erklärung: Mit einigen konservativen Ministern und plakativen Gesten will Bush möglichst früh den rechten Rand befriedigen. Dann kann er in wirklich wichtigen politischen Fragen moderat sein. Die Indizien erlauben noch kein abschließendes Urteil. Die Skeptiker sind nun noch etwas misstrauischer geworden.

Zur Startseite