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CDU-Parteitag: Vom Mut zur Ruhe

Die Krise und der Wahlkalender: Angela Merkel sieht sich derzeit von Leuten umstellt, die ihr Mut abverlangen oder Kleinmut vorwerfen. Doch in der Sache spricht manches dafür, die nächsten Schritte nicht zu überstürzen.

Von Robert Birnbaum

Mit dem Mut ist es in der Politik immer schon so gewesen, dass ihn die am lautesten fordern, die ihn nicht bezahlen müssen. Man kann Angela Merkel ein gewisses Misstrauen infolgedessen nicht verdenken. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende sieht sich im Moment von Leuten umstellt, die ihr Mut abverlangen oder Kleinmut vorwerfen. Gefordert werden Mut zur Steuersenkung (CSU), Mut zum europäischen Konjunkturprogramm (Frankreich und so weiter), Mut zum Konjunkturprogramm, egal welchem (alle anderen). Hauptsache schnell - und viel! Mögen sich die Rufer sonst über die richtigen Wege streiten, in einem sind sie sich einig: Der Mut, den sie meinen, bemisst sich in Milliarden. Dass es mutiger sein könnte, sich dem Milliardenmut zu verweigern, gilt derzeit als äußerst exotischer Gedanke.

Schuld daran ist weniger die Krise als der Wahlkalender. Aber zuerst zur Ökonomie. Bis vor kurzem galt es in den einschlägigen Prophetenkreisen als eherne Gewissheit, dass der Staat sich aus der Wirtschaft herauszuhalten habe. Seit kurzem verkünden dieselben Hellseher das genaue Gegenteil. So viel dazu, was auf Rat von Sachverständigen zu geben ist. Das heißt nicht, dass Merkels Regierung automatisch klüger ist. Ihr Banken-Rettungspaket hat die drohende Kernschmelze im Bankensektor verhindert; den Reaktor wieder in Gang zu kriegen, hat es bisher nicht geschafft. Und das erste Konjunkturpaket war kaum mehr als eine eilends von Wirtschaftsverbänden vollgestopfte Wundertüte. Politisch wäre es sogar cleverer gewesen, Merkel hätte sich die gespart. Sie könnte um so glaubwürdiger die Botschaft von Maß, Mitte und Abwarten verkünden.

In der Sache spricht manches dafür, die nächsten Schritte nicht wieder zu überstürzen. Die Rezession wird nicht zu verhindern sein; da sind Milliarden schnell nutzlos verpulvert. Politisch - und damit sind wir beim Wahlkalender - zählt aber in der Krise Stimmung oft mehr als reales Tun. Der Oder war es schnurz, ob Gerhard Schröder vor ihr auf den Deichen stand, den Wählern nicht. Dass Merkel ihr Krisenmanagement so betreibt wie die Regierung der letzten drei Jahre, macht ihre Partei nervös.

Da ist erstens der Eindruck, dass die traditionelle Wirtschaftskompetenz der Union mittlerweile auf arg dünnem Boden steht. Die Chefin selbst steuert durch den Sturm, nicht weil sie den Weg weiß, sondern weil sonst kein Lotse an Bord ist. Das ist ein riskantes Manöver, und Parteien scheuen Risiken. Die CDU scheut zweitens ganz speziell das Risiko, mit nichts als Merkel in den Wahlkampf zu ziehen. Dass das schiefgehen kann, ist seit 2005 als kollektive Sorge tief verankert. Wer sieht, wie sich die CDU-Spitze an den angeblichen Wahlkampfschlager "Vielleicht machen wir ja dann irgendwann doch mal eine Steuerreform" klammert, kann diese Sorge sogar verstehen.

Da steckt Merkels Dilemma. Als Kanzlerin tut sie gut daran, auf die Schreie nach milliardenschwerem Gratismut nicht allzu viel zu geben, egal ob sie von den Autobauern kommen, der EU-Kommission oder von Friedrich Merz. Sogar für die CDU-Chefin mag es klüger sein, nicht ein knappes Jahr vor der Wahl in eine Retterpose zu verfallen, die nur zu schnell an der Wirklichkeit zerbröckeln kann. Aber wer dem allgemeinen Ruf nach raschen Taten nicht folgt, setzt sich selbst unter Druck. Handeln rechtfertigt sich selbst, Nichthandeln will begründet sein. Wenn die CDU nicht an ihr verzweifeln soll, hat die Vorsitzende ihr einiges zu erklären.

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