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Meinung: CDU-Spendenaffäre: Gestraft, nicht gebeugt

Der Vorgang ist nicht unüblich. Wenn das Landgericht Bonn dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft zustimmt, das Verfahren gegen Helmut Kohl in der CDU-Spendenaffäre nach Zahlung einer Geldbuße von 300 000 Mark einzustellen, dann ist das keine Vorzugsbehandlung für Prominente.

Der Vorgang ist nicht unüblich. Wenn das Landgericht Bonn dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft zustimmt, das Verfahren gegen Helmut Kohl in der CDU-Spendenaffäre nach Zahlung einer Geldbuße von 300 000 Mark einzustellen, dann ist das keine Vorzugsbehandlung für Prominente. Denn so wird zum Beispiel in der Regel mit reumütigen Steuersündern umgegangen. Die Staatsanwaltschaft bewegt sich also auf dem Boden des Rechts.

Der Kohl vorgeworfene Tatbestand ist unbestreitbar. Der Gerechtigkeit wäre mit einer Geldbuße in dieser Höhe Genüge getan, der Angeklagte dadurch bestraft, selbst wenn er im Sinne des Gesetzes nicht vorbestraft ist - Helmut Kohls polizeiliches Führungszeugnis bleibt ohne Eintrag. Aber wer eine solche Summe zahlt, möchte sich von der Fortsetzung eines für ihn lästigen Verfahrens freikaufen, und er räumt damit auch eine Schuld ein, selbst wenn er das pro forma bestreiten sollte. Der Bürger hat ein feines Gespür dafür, dass niemand 300 000 Mark ohne handfesten Grund an die Staatskasse überweist - und dies vor allem dann niemals täte, wenn er sich frei von Rechtsbrüchen wüsste.

Mit dem Ende dieses Verfahrens beginnt jedoch ein anderes, nämlich die Ermittlungsarbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, plötzlich wieder richtig interessant zu werden. Dort darf Helmut Kohl, wenn er das nächste Mal als Zeuge geladen wird, nicht mehr die Aussage unter Hinweis darauf verweigern, dass gegen ihn ein Verfahren laufe und er sich selbst nicht belasten müsse. Einen anderen, gestern diskutierten Winkelzug unter Hinweis auf den Artikel 47 des Grundgesetzes darf er überhaupt nicht wagen. Dieser Artikel räumt Abgeordneten zu gewissen Vorgängen im Zusammenhang mit ihrem Mandat ein Zeugnisverweigerungsrecht ein. Helmut Kohl kann aber nur schwerlich behaupten, dass er die Spenden als einfacher Abgeordneter und nicht in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender erhalten hat - und wenn doch, warum hat er sie dann nicht in das offizielle Rechenwerk der CDU weitergeleitet?

Nein, der Zeuge Kohl steht nun unter Aussagezwang, sowohl zu den Namen seiner Spender als auch zu den Einzelheiten der Spendenaffäre selbst. Natürlich wird er das nicht widerspruchslos tun. Eher ist eine neue Konfrontation zu erwarten, eine weitere Vorstellung des Zeugen Kohl in der Rolle des Anklägers. Die Ordnungsgelder in Höhe von 1000 Mark, die gegen den Aussageverweigerer verhängt werden können, dürften ihn zunächst dabei nicht schrecken. Die Lage könnte sich ändern, wenn der Ausschuss Beugehaft androht. Beugehaft gegen einen früheren Bundeskanzler? Das klingt nach italienischen Verhältnissen. Aber der Ausschuss muss exakt das tun, will er sich nicht als völlig zahnlos verhöhnen lassen. Helmut Kohl wird, in der Rolle des Märtyrers, ein solches Verdikt zunächst zumindest demonstrativ auf sich nehmen und dann einlenken. Vielleicht. Irgendwann, so könnte er kalkulieren, interessiert das Thema niemanden mehr, bewegt weder Wähler noch schadet es der Union. Bis zur nächsten Bundestagswahl lässt es sich nur schwer in der Debatte halten, das weiß auch die SPD. Wenn es die Spender wirklich gibt, könnten sie Kohl von seinem Ehrenwort entbinden.

Wenn. Könnten. Prognosen auf den Fortgang sind heikel. Genauso denkbar scheint eine pathetische, große Geste des ehemaligen Kanzlers, eine Mobilisierung von Unionsanhängern gegen den ersten Staatsmann Europas in Beugehaft, Demonstrationen für ihn. Dass Helmut Kohl jetzt, juristisch gesehen, keine Ausflüchte mehr hat, besagt eben noch lange nicht, dass er sich selbst ändert. Da sollten sich die sozialdemokratischen und grünen Mitglieder des Untersuchungsausschusses keinen Illusionen hingeben.

Gerd Appenzeller

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