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Meinung: Chaos ist Mist

Was sagt das Ergebnis von Kiel? Obacht – es geht um demokratische Handlungsfähigkeit.

Zunächst einmal ist ein Sieg ein Sieg und eine Niederlage eine Niederlage; so banal es klingt, das Ergebnis einer Landtagswahl schwächt oder stärkt die Vorsitzenden, besonders die der großen Parteien CDU und SPD, Angela Merkel und Sigmar Gabriel. Und wenn es mehr oder weniger unentschieden ausgeht? Dann ist das ein Signal – für 2013. Und was, wenn der politische Boden insgesamt so durchfurcht wird wie in Schleswig-Holstein? Dann bleibt am Ende immer diese eine Wahl: auf Sicherheit zu gehen.

In Schleswig-Holstein gilt das sowieso, bei all den Besonderheiten. Da gilt ein Satz von Franz Müntefering, leicht abgewandelt: Chaos ist Mist. Denn dieses Land ist auf seine Weise wie kein zweites: meerumschlungen, bodenständig, mit viel Scholle, traditionsbewusst, und immer wieder für Überraschungen gut. Wobei gut hier das falsche Wort ist. Nicht alles, was an der Förde geschehen ist, war gut. Was da gebarschelt wurde! Und wie der Heide-Mörder zugeschlagen hat! Unauslöschlich sind diese beiden politischen Großereignisse mit Schleswig-Holstein verbunden, sie prägen das Bild außerhalb, aber auch innerhalb des Landes. Die Angst ist immer noch vorhanden, dass sich Ähnliches zutragen könnte, wieder etwas Monströses, das die schönen Aspekte, vor allem der Gegend, überdeckt. Die Sexaffäre Boetticher war zwar eher klein, ist aber auch wegen der latenten Furcht sehr schnell von der CDU beendet worden.

Die Parteien im Land mit seinen 2,2 Millionen Wahlberechtigten und noch viel weniger Wählern sind auch von interessanter Art, sogar bundespolitisch gesehen. Die CDU ist nicht mehr die Stoltenberg-CDU, also nicht mehr steif- konservativ, sondern unter dem beliebten und irgendwie rührenden Peter Harry Carstensen geradezu gutmütig liberal erschienen, wenn da andererseits nicht dieser seltsame, fast üble Wahlkampf gegen den Südschleswigschen Wählerverband gewesen wäre, die Vertretung der Dänen. Die SPD ist auch nicht mehr die des Jochen Steffen, der eine ganz eigene Art volkstümlich-witzigen Sozialismus vertrat. Das kann man von seinem Polit-Enkel Ralf Stegner nicht behaupten, weshalb sich die SPD auch einen anderen Spitzenkandidaten gesucht hat, einen Vertreter des neuen Sozialdemokratismus. Ein Fingerzeig für Berlin!

Oder die Grünen. Die sind so anders als alle anderen Grünen, dass sie am liebsten keinen Personenwahlkampf gemacht hätten, aber genau damit einen kleinen Star geschaffen haben, Robert Habeck. Die Piraten wiederum haben bei den Grünen Beute gemacht, personell, vom Inhaltlichen zu schweigen, und die FDP – ja, die ist so eigenständig-eigenwillig-eigentümlich, dass sie inzwischen als Vorbild für die Bundespartei gilt. Man stelle sich vor: Wolfgang Kubicki als „Role Model“ der FDP! Zum Schluss das Ergebnis der Linken – sie kommt jetzt ins Schlingern.

50 Prozent der Schleswig-Holsteiner sind nach dem Zweiten Weltkrieg eingewandert, und es lebte ein sehr niedriger Anteil an Ausländern dort. Das war die alte Bundesrepublik. Heute dringt die Globalisierung überallhin vor, so dass überall alles Bekannte umgepflügt werden kann. Es bleibt aber die Frage, was womöglich untergepflügt wird. Womit wir wieder bei der Bundespolitik wären: Die Demokratie darf keine Beute werden. Drum muss sie sturmfest sein.

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