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Meinung: Chaostage bei der Bahn

Am Freitag wird wieder gestreikt, der Dilettantismus bei den Tarifparteien ist erstaunlich

Die Lokführer nehmen Rücksicht. Am Tag der Einheit wird gefahren, erst am Freitag gestreikt. Dann aber richtig. Die Bahn-Kunden, gleichgültig ob S-Bahn- oder ICE-Nutzer, haben ein paar Tage Zeit, sich um eine Alternative zu kümmern. Und die Bahn-Chefs können noch Ersatzpersonal suchen: Lokführer aus Österreich vielleicht, Beamte oder leitende Angestellte. Hartmut Mehdorn selbst wird wohl nicht im Führerstand auftauchen. Zuzutrauen wäre es ihm.

Überhaupt ist in diesen Monaten viel Show und Schauspiel, Intrige und Inkompetenz bei der Bahn zu beobachten. Vor allem natürlich bei dem hochkomplizierten Ränkespiel um die Privatisierung des Konzerns. Der ist immer noch ein Staatsunternehmen und deshalb auch ein politisches Unternehmen – inklusive aller Mühsal der Entscheidungsfindung. So funktioniert demokratische Politik – und Mehdorn muss damit leben.

Im Tarifzirkus dagegen steht er selbst in der Manege und nervt inzwischen mit seinen Spielgefährten das schon lange nicht mehr geneigte Publikum. Mehdorn und Transnet-Chef Norbert Hansen auf der einen und der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft, Manfred Schell, auf der anderen Seite spielen ein böses Stück zulasten der Kundschaft. So viel Dilettantismus in einer Tarifauseinandersetzung war selten.

Dabei sah es anfangs für Mehdorn gut aus. Ziemlich flott hatte sich der Bahn-Chef mit Transnet und dem Transnetpartner GDBA auf einen Tarifabschluss geeinigt; das war vor knapp drei Monaten. Die Lokführer indes wollten mehr und streikten. Die Bahn-Spitze suchte sich daraufhin passende Arbeitsgerichte, die den Streik untersagten, und schließlich sollten die Altpolitiker Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler als Kompromisslöser fungieren. Doch außer Zeitgewinn für Mehdorn brachte das gar nichts. Das Honorar für Biedenkopf/Geißler wäre besser für eine Anhebung der Lokführerbezüge ausgegeben worden.

Die aktuelle Schlachtordnung aus dem Frühsommer ist jetzt wiederhergestellt: Mehdorn/Hansen gegen Schell. Damit können die Gewerkschaften auf Dauer genauso wenig leben wie Mehdorn. Wenn die Arbeitnehmervertreter gegeneinander antreten, schwächen sie ihre Durchsetzungschancen; ein Tarifsekretär lernt das in der ersten Ausbildungswoche. Und Mehdorn kann es sich nicht wünschen, jedes Jahr Tarifverhandlungen mit verschiedenen Gewerkschaften zu führen, die sich wechselseitig hochschaukeln und unterschiedliche Berufsgruppen gegen den einen Arbeitgeber in Stellung bringen. Kurzum: Es herrscht Chaos in der Bahn.

Der Eigentümer Bund lässt die Kontrahenten gewähren; ab und zu ein Appell, man möge sich doch bald vertragen. Und die Kunden? Die haben jetzt drei Tage Zeit, um sich zwischen Fahrrad, Auto und Flugzeug zu entscheiden. Am kommenden Freitag. Vermutlich stehen aber noch an weiteren Tagen Millionen Bahnfahrer vor toten Gleisen. Damit Mehdorn/Hansen /Schell ihr Mütchen kühlen. Eine Frechheit.

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