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Alles Amigos in Bayern? Demonstranten protestieren vor der Eröffnung des CSU-Parteikonvents in München.

© dpa

CSU-Gehaltsaffäre: Bayerische Familienpolitik

Bayern ist Berlin näher als es auf den ersten Blick scheint. Die Affäre um CSU-Abgeordnete und -Minister, die Verwandte beschäftigt haben, kann schnell auf die Union durchschlagen. Deshalb wird Seehofer jetzt handeln müssen.

Ist Bayern nicht weit weg? Hunderte Kilometer, Stunden mit dem Auto, auch ewig – bei den Verhältnissen hier und dort – mit dem Flugzeug. Bis man in München ist, das ist ja fast, als käme man von Sperenberg in die Stadt gefahren. Also, was schert es die Politik in Berlin, wenn sich die im fernen München zerlegt?

Viel. Sehr viel. Weil dort, erstens, Wahlkampf ist, für den Landtag wie für den Bundestag, und es noch rauer zugehen wird; weil dort, zweitens, eine schwarz-gelbe Koalition regiert und weiterregieren will, weil dort, drittens, die Glaubwürdigkeit der Volksvertreter über München hinaus verhandelt wird. Und damit ist nicht Bad Wiessee am Tegernsee gemeint, wo der Uli Hoeneß wohnt.

Was derzeit im schönen Bayern geschieht, ist mehr als ein Schwank aus dem königlich-bayerischen Amtsgericht. Beppo Brem und Gustl Bayrhammer spielen hier nicht die Hauptrollen, denn es ist ist keine nette Folklore, die die Menschen außerhalb des Freistaates zu sehen bekommen; wäre es so, würde es den Bayern, die immer ein wenig anders sind, auch sein wollen, verziehen werden. Folklore taugte als Begriff nur dann, wenn man den Bayern in toto unterstellen wollte, dass es bei ihnen immer wieder, wie in Fieberschüben, diese Enthüllungen über Spezln-Wirtschaft gibt, Vetternwirtschaft, Nepotismus. Diese Form des Klüngels ist auch nur ein Sumpf.

Abgeordnete haben ihren Verwandten Geld zugeschustert

An der Liste, die Landtagspräsidentin Barbara Stamm veröffentlicht hat, ist nichts Lustiges. Auch wenn man sich um Unterscheidung zwischen der Beschäftigung Verwandter ersten und zweiten Grades bemüht; auch wenn man unterscheiden will zwischen denen, die bis 2003, 2008 und bis heute welche Verwandten auch immer beschäftigt haben – was bleibt, ist in jedem Fall die Tatsache, dass sie einander Geld zugeschustert haben. So unsouverän waren die Vertreter des Souveräns. Sage keiner, das werde bei der Wahl, den beiden aufeinander folgenden Wahlen, keine Auswirkungen haben. Die CSU kann sich nur freuen – wenn das Wort auch unpassend erscheint –, dass sie nicht ganz allein am Pranger steht.

Aber es stehen mehr von ihr so entblößt da als von jeder anderen Partei. Mehr von ihr als aus allen anderen Parteien zusammengenommen. Das erweckt den Eindruck wieder, den Edmund Stoiber, der vorvorletzte Ministerpräsident, schon zu begraben versucht hatte: dass die CSU sich den Staat in gleich welcher Funktion und auf welcher Ebene zur Beute macht, wenn man sie nur lässt. Das werden die Christsozialen jetzt als ungerecht empfinden – aber so ist der Eindruck. Und der ist eine Verheerung.

Eine Reaktion von Seehofer erscheint bitter nötig

Die Folgen werden noch zu besichtigen sein, wie die Ausläufer eines Bebens. Als Erster hat das Horst Seehofer, Stoibers Nachnachfolger, mit seinem seismographischen Gespür für gesellschaftliche Stimmungen und Verstimmungen gemerkt. Darum wird etwas geschehen. Minister entlassen, Abgeordnete schassen, alles ist möglich, bei Seehofer sowieso, da kennt er keine Freunde, erst recht keine Parteifreunde. Populismus ist ihm nicht fremd.

Aber wer sagt, dass Politik nicht populär sein darf? Und richtig ist, dass eine Reaktion bitter nötig erscheint. Weil, erstens, die Reputation von Volksvertretern sonst bundesweit leidet. Weil, zweitens, die Schwarzen nicht nur in Bayern unter Stimmentzug leiden könnten, übrigens zugunsten auch der Gelben. Weil, drittens, die Bundestagswahl ansteht. Und da hat das Kanzleramt auch eine Dependance in München.

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