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CSU: Keiner ruft noch nach dem Retter

Bankenpfusch, Hochmut, Großsprecherei, Fingerhakeln: Auch Horst Seehofer kann das gute Alte in der CSU nicht wiederbeleben.

Von Robert Birnbaum

W enn sich Horst Seehofer zum Neuen Jahr vom Hausheiligen Franz Josef etwas wünschen dürfte, dann stünde die vorübergehende Auflösung der CSU vermutlich weit oben auf der Liste. Was für ein verlockender Gedanke: zum Vereinsregister gehen, die Christlich-Soziale Union kraft Vollmacht als Vorsitzender auflösen, sofort danach als, sagen wir, Charismatische Seehofer-Union (des gleichen Kürzels wegen) neu gründen, und wenn schon wieder was schiefgeht im Freistaat, anklagend auf die alte CSU zeigen.

Nun gehen zwar die Uhren in Bayern, wie die CSU (alt und neu) nie müde wird zu wiederholen, anders als anderswo; die Stunde null schlagen sie aber auch dort nicht. Seehofer hat das in dem Jahr an der Spitze des Staates und seiner Ex-Staatspartei oft erfahren. Er hat die alten Kader aus der Führung entfernt, soweit es in seiner Macht lag. Aber deren Fehler und Versäumnisse sind damit nicht zugleich entsorgt. Aus ein paar neuen Gesichtern wird auch noch keine neue CSU. Dafür haben sich die Leute die alte zu gut gemerkt – im Schlechten wie im Guten.

Von dieser Trägheit der Verhältnisse hat die CSU viele Jahrzehnte profitiert. Sie konnte sich als Garant eines bayerischen Sonderwegs präsentieren: Wir liefern euch alle Segnungen der Moderne, aber wir ersparen euch deren Preis. Doch dieses Versprechen erweist sich als immer weniger haltbar. Spätestens seit der Affäre um die Landesbank steht sogar die Frage im Raum, ob es in jüngerer Zeit überhaupt je mehr war als eine reichlich großmäulige Reklamebehauptung.

Anderswo in der Republik wären derlei milliardenteure Fehler als das übliche Politikversagen verbucht worden. In Bayern sind sie schlimmer. Ein Mythos hat sich als hohl erwiesen. Es ist unklar, ob sich so etwas reparieren lässt.

Die neue alte CSU ist da jedenfalls bisher nicht weitergekommen. Das ist nicht verwunderlich angesichts der kurzen Zeit und der Tiefe der Verunsicherung, die die Partei bis in den letzten Winkel erfasst hat. Bemerkenswert ist aber, dass der Ruf nach dem Retter, der Seehofer nach dem Schock der Landtagswahl die ganze Macht in die Hände gespült hat, seit geraumer Zeit nicht mehr erklingt. Niemand scheint darauf zu setzen, dass es der Horst schon richtet.

Das ist für die CSU eine brandgefährliche Situation. Das gute Alte ist nicht mehr präsent; es taucht nur als das Schlechte am Alten in den Schlagzeilen auf: als Bankenpfusch, als jahrelanger Hochmut vor dem Fall, als Großsprecherei und Ignoranz. Etwas Neues, das an die leere Stelle treten könnte, ist nicht in Sicht. Jedem Einzelinteresse nach dem Portemonnaie zu reden, stiftet so wenig neue Identität zwischen Bayern und der CSU wie ab und an ein Erfolg im Berliner Koalitionsgeschäft.

In den guten Zeiten konnten solche Erfolge die Stärke der Partei bestätigen. Aber der Satz „Wir haben uns durchgesetzt“ ist nicht stark genug, um verlorene Stärke neu zu gründen. Ohnehin verlieren vielleicht auch im modernen Bayern rohe Fingerhakelkräfte an Bedeutung gegenüber den „soft skills“. Als da wären: Verständnis, Verlässlichkeit, Nachdenklichkeit – und Demut, die nicht nur so tut als ob.

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