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Meinung: Da hört doch alles auf Von Jost Müller-Neuhof

Der Streit um den Lauschangriff ist eine gute Gelegenheit zu testen, wie ernst es den Deutschen tatsächlich ist mit dem Kampf gegen den Terror. Ist es ihnen ernst, dann darf der Staat natürlich auch Journalisten abhören oder Wanzen in Anwaltskanzleien anbringen.

Der Streit um den Lauschangriff ist eine gute Gelegenheit zu testen, wie ernst es den Deutschen tatsächlich ist mit dem Kampf gegen den Terror. Ist es ihnen ernst, dann darf der Staat natürlich auch Journalisten abhören oder Wanzen in Anwaltskanzleien anbringen. Es gibt allerdings Hinweise, dass es den Deutschen doch nicht so ernst ist. Als Brigitte Zypries ihren Entwurf vor zwei Wochen vorstellte, regte sich allein die Polizeigewerkschaft auf. Kein Anwalt protestierte, kein Arzt stöhnte, kein Leitartikler mahnte. Nur die Polizisten schimpften, weil der Lauschangriff nach dem Gesetz vollkommen unpraktikabel sei und damit de facto erledigt. Das trifft zu hundert Prozent zu. Der Lauschangriff ist erledigt, allerdings nicht durch Frau Zypries, sondern durch die Verfassung. Die schützt das private Gespräch in geschlossenen Räumen absolut, hat das zuständige Gericht vor ein paar Monaten entschieden. Sollte Osama bin Laden mal zu Gast in einer deutschen Wohnstube sein, müssten die Ermittler ihre Tonbänder abschalten, wenn er von seinen Kindern erzählt. Kein noch so erfinderisches Ministerium könnte nach dieser Maßgabe ein taugliches Gesetz schneidern. Aber weil Otto Schily immer wieder mit großem Tamtam fordert, es müsse alles getan werden, was möglich ist, haben sich Zypries’ Beamte hinsetzen und dem erledigten Lauschangriff wieder auf die Beine helfen müssen.

Das nennt man symbolische Gesetzgebung. Taugt nichts, bringt nichts, beweist aber, dass der Staat etwas tun kann, und wenn es irgendetwas ist. Zum Beispiel Berufsgeheimnisträgern mit Wanzen zu drohen. Die Verfassung übrigens lässt das wahrscheinlich zu, dem Urteil zufolge nur bei Strafverteidigern und in der Beichtstunde nicht. Daran hat sich Zypries eins zu eins gehalten. Dass die Tendenz des Urteils in ihr Gegenteil verkehrt wird, ist wahr. Aber diese Tendenzen sind der Regierung egal, ganz im Gegensatz zu denen in den Umfragen. Und bei der Sicherheitspolitik will man sich keine Schwäche leisten.

Brigitte Zypries wird ihren Entwurf dennoch eindampfen müssen. Mit Anwälten, Ärzten und Journalisten legt man sich besser nicht an, jedenfalls nicht gleichzeitig. Jetzt besingen sie den Rechtsstaat respektive beklagen dessen Untergang. Liberal ist, wenn man selbst betroffen ist. Populismus versus Egoismus. Sollen die beiden es unter sich ausmachen.

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