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Meinung: Daimler-Chrysler-Krise: In jedem Auto ein bisschen Mercedes

Man nehme einen Amerikaner, einen Europäer und einen Japaner, sage ihnen, das Zeitalter der Globalisierung habe begonnen, und deshalb müssten sie nun ein Team bilden. Jeder Partner bringt regionale Erfahrungen und spezifisches Know-how in die Allianz ein, auf dass gemeinsam die Märkte der Welt erobert werden können.

Man nehme einen Amerikaner, einen Europäer und einen Japaner, sage ihnen, das Zeitalter der Globalisierung habe begonnen, und deshalb müssten sie nun ein Team bilden. Jeder Partner bringt regionale Erfahrungen und spezifisches Know-how in die Allianz ein, auf dass gemeinsam die Märkte der Welt erobert werden können. Ein unschlagbares Trio. So hat sich das Jürgen Schrempp gedacht.

Der Vorstandsvorsitzende von Daimler-Chrysler schreibt Unternehmensgeschichte als Baumeister des ersten Weltkonzerns. Aus der Verbindung von Daimler-Benz, der amerikanischen Chrysler und der japanischen Mitsubishi Motor soll das profitabelste Autounternehmen der Welt entstehen, das die weltbesten Pkw und Lkw in allen Märkten und Marktsegmenten anbietet. Vom Kleinwagen Smart über Mercedes-Limousinen, Jeeps und Vans bis hin zu Transportern und schweren Lastwagen - rund um den Globus. Das erste Unternehmen, das die Globalisierung wirklich lebt.

Allerdings klafft zwischen Theorie und Praxis eine ziemlich große Lücke. Um die zu schließen, werden viele Milliarden gebraucht, denn die Weltfirma ist ein Sanierungsbetrieb. Am heutigen Montag will Schrempp erklären, wie er das deutsch-amerikanisch-japanische Abenteuer durchstehen will. Chrysler und Mitsubishi wieder auf Kurs bringen und dabei aufpassen, dass die Kernmarke Mercedes-Benz nicht beschädigt wird - das braucht eine gute Strategie, Geld und Geduld. Und vor allem ist die Unterstützung der Aktionäre gefragt, die in den vergangenen zwei Jahren viel Geld verloren haben.

Um das Vertrauen der Investoren wirbt Schrempp mit einem tiefen Schnitt. Der soll Zielsicherheit und Durchsetzungskraft demonstrieren. Da sowohl Chrysler als auch Mitsubishi zu große Kapazitäten haben, werden Fabriken geschlossen und fast 35 000 Arbeitsplätze gestrichen. Die Zulieferer müssen mit den Preisen runter, schließlich soll der Austausch von Teilen zwischen den Firmen Kosten senken. Allein bei Chrysler wird das Sanierungsprogramm rund sechs Milliarden Mark kosten. Gut zwei Jahre nach der "Hochzeit im Himmel" (Schrempp) wäre die Scheidung wohl billiger gekommen. Dazu hätte Schrempp aber akzeptieren müssen, dass aus der Megafusion ein Megaflop wurde. Doch für dieses Urteil ist es tatsächlich zu früh.

Schrempp hat bei Chrysler Fehler gemacht. Die Schwäche des US-Marktes war ebenso absehbar wie der Druck der Wettbewerber auf die wichtigsten Chrysler-Produkte; Gegenstrategien kamen sehr spät. Außerdem nutzte die Konzernführung die Chancen der Allianz nur unzureichend. Das Ausschöpfen von Synergien ist nun Kernpunkt der Sanierung: Mitsubishi und Chrysler entwickeln gemeinsam Autos. Und den Amerikanern, deren Pkw unter Qualitätsmängeln leiden, soll mit Mercedes-Benz-Technologie geholfen werden.

Aus guten Gründen hatte Schrempp bislang vor dem Technologietransfer aus Stuttgart zurückgeschreckt: Die weltberühmte Marke Mercedes-Benz könnte an Exklusivität verlieren, wenn Teile oder Know-how aus Stuttgart in amerikanischen oder japanischen Massenprodukten verwendet werden. Das Risiko für Mercedes geht Schrempp jetzt ein, damit sein Weltkonzern nicht auseinander fliegt. Und das Risiko ist groß: Im Verlauf von Jahrzehnten hat Mercedes-Benz ein einzigartiges Image aufgebaut. Sollte die Premiummarke demnächst mit Allerweltsautos von Chrysler und Mitsubishi in einen Topf geworfen werden, dann hätte Schrempp ein stolzes Erbe verspielt.

In zwei Jahren, wenn er dann noch Vorstandschef ist, wird Jürgen Schrempp vielleicht trotzdem wieder zum Manager des Jahres gewählt. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn im Konzern vereinigen sich einige der besten Marken der Autoindustrie. Wie kein anderes Autounternehmen ist Daimler-Chrysler auf den wichtigsten Märkten präsent, und vieles spricht dafür, dass die Krise bei Chrysler und Mitsubishi genutzt wird, um Strukturen zu optimieren. Wenn, ja wenn das Team aus Amerikanern, Japanern und Europäern wirklich funktioniert. Und wenn Chrysler und Mitsubishi stärker von Mercedes profitieren, als Mercedes-Benz an Strahlkraft verliert.

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