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Meinung: Daimler-Chrysler-Krise: Leitartikel: Der amerikanische Patient

Was unterscheidet Jürgen Schrempp von Edzard Reuter? Der eine war Chef der Daimler-Benz AG, der andere führt die Daimler-Chrysler AG.

Was unterscheidet Jürgen Schrempp von Edzard Reuter? Der eine war Chef der Daimler-Benz AG, der andere führt die Daimler-Chrysler AG. Reuter versuchte einen so genannten integrierten Technologiekonzern mit vielen Geschäftsfeldern aufzubauen; Schrempp schlug den Konzern wieder auseinander und konzentrierte das Unternehmen auf den Fahrzeugbau. Reuter scheiterte, weil die einzelnen Konzernteile nicht zusammenpassten. Schrempp wurde als Manager des Jahres gekürt, nachdem er vor zwei Jahren die erste große transatlantische Fusion, den Zusammenschluss von Daimler-Benz und Chrysler ziemlich elegant organisierte. Von der ersten "Welt AG" war die Rede, einer "Hochzeit im Himmel", die beide Partner so stark mache, dass sie die Maßstäbe für die Automobilbranche insgesamt setze. Die Gegenwart dementiert brutal Schrempps Worte von damals: Aus der einst hübschen Braut Chrysler ist ein amerikanischer Patient geworden.

Edzard Reuter hinterließ Daimler-Benz mit einem Milliardenverlust, Schrempp muss ein riesiges Loch bei Chrysler stopfen. Die größte Last jedoch tragen die Daimler-Chrysler-Aktionäre, die in den vergangenen Monaten viel Geld verloren haben. Analysten unken bereits, der Kurs der Aktie könnte um ein Drittel steigen, wenn die Stuttgarter die Firma aus Auburn Hills wieder verkauften. Also schnell weg mit Chrysler und bloß nicht so lange warten wie BMW, denen das langjährige Festhalten an der britischen Tochter Rover viel gekostet, aber nichts gebracht hat außer einem Imageschaden?

Zu Jürgen Schrempps Eigenschaften zählt nicht die Geduld. Nach seinem Motto "Speed, Speed, Speed" waren Daimler und Chrysler zusammengeführt worden; eine richtige Strategie, um rasch Einsparpotenziale auszuschöpfen und Widerstände gegen die Fusion auszubremsen. Obgleich der Managementaufwand enorm und die Annäherung der so genannten Unternehmenskulturen schwierig war und ist, hat die Integration der beiden Konzerne ziemlich gut geklappt. Auch deshalb, weil Schrempp und seine Stuttgarter Strategen bald die Fäden allein in der Hand hielten. Umso weniger ist aber zu verstehen, wie Chrysler nun plötzlich als schwer kranker Unternehmensteil dasteht. Schrempp hat in den letzten Tagen die Chrysler-Zentrale ausgeräumt und dort Vertraute platziert, weil er sich von der bisherigen Führung nicht korrekt informiert sah. Doch kann es wirklich sein, dass erst jetzt der enorme Beschäftigtenüberhang bemerkt wird? Mehr als 30 000 Mitarbeiter soll Chrysler zu viel haben. Und kommt die Schwäche der US-Autokonjunktur wirklich so überraschend, dass Chrysler sofort in die roten Zahlen rauscht?

Hoffentlich überfordert Schrempp nicht sich und die Managementkapazitäten des Konzerns. Denn neben Chrysler muss auch der neue japanische Partner Mitsubishi saniert werden. Richtig ist die Fusionsstrategie gleichwohl: Überkapazitäten prägen die Autoindustrie, immer schneller erwarten die Kunden neue Modelle mit modernster Technologie. Auf dem Markt können deshalb nur exklusive Nischenanbieter überleben oder große Unternehmen, die hohe Stückzahlen auf allen Märkten der Welt verkaufen und somit die gewaltigen Investitions- und Innovationkosten wieder einfahren; Unternehmen wie Daimler-Chrysler. Am Sinn der Fusion muss man deshalb auch heute nicht zweifeln. Doch ihr Erfolg steht noch aus. Denn Schrempp hat womöglich zu viel Speed vorgelegt und dabei nicht genau hingeschaut, welche Erblasten Chrysler hat. Diese Geschwindigkeit rächt sich jetzt.

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