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Meinung: Daimler Chrysler und die Fusionitis: Leitartikel: Ein Ehekrach ist noch keine Scheidung

Fusionen von Unternehmen sind wie eine Ehe, schrieb der britische Economist kürzlich. Das Risiko, dass sie scheitern ist hoch, höher als bei Hochzeiten von Hollywood-Stars.

Fusionen von Unternehmen sind wie eine Ehe, schrieb der britische Economist kürzlich. Das Risiko, dass sie scheitern ist hoch, höher als bei Hochzeiten von Hollywood-Stars. Und selbst wenn man sich nicht wieder trennt, garantiert das Zusammenleben noch lange nicht das Glück der Partner. Doch allenfalls eine Minderheit würde die Institution der Ehe gänzlich abschaffen wollen.

Die deutsch-amerikanische Verbindung von Daimler und Chrysler, vor zwei Jahren geschlossen und von vielen hymnisch gefeiert, steckt in der Krise. Von einer Trennung ist nicht ernsthaft die Rede. Doch das Glück liegt so fern wie noch nie: Die Aktionäre sehen sich um den erhofften Shareholder Value betrogen, die Arbeitnehmer - zumindest bei Chrysler - bangen um den Arbeitplatz und der Vorstandsvorsitzende Jürgen Schrempp wird mit Klagen und Rücktrittsforderungen konfrontiert. Erhalten diejenigen jetzt recht, die Fusionen immer schon als unternehmerischen Holzweg schalten?

Tatsächlich galt die Fusion von Daimler und Chrysler als ein Symbol der Globalisierung. Weltweit, so sagte man, werde nur eine Handvoll Automobilunternehmen übrig bleiben. Für viele war das der Vorschein einer neuen unheimlichen Wirtschaftswelt: Alle spielen Monopoly und am Ende teilen sich in jeder Branche wenige den Weltmarkt.

Es ist gut, dass diese Vorstellung bricht. Fusionen sind kein Synonym von Globalisierung. Globalisierung ist der Prozess der Intergration von Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkten, über alle Grenzen hinweg. Davon profitieren alle. Vor allem die Verbraucher. Ob sich diese Integration aber in großen oder kleinen Unternehmenseinheiten vollzieht, hat zwingend damit nichts zu tun. Empirisch zeigt sich nur: Das Fusionstempo verlangsamt sich.

Größe ist kein Garant für Erfolg. Bei fast der Hälfte aller Fusionen haben die Aktionäre verloren, ein weiteres Drittel stellt sich weder besser noch schlechter. Kein Wunder, dass viele sich bald wieder trennen. BMW hat sich - verlustreich - aus dem Rover-Engagement verabschiedet. Die deutschen Banken haben nach manchen Tändeleien voneinander gelassen. Zumindest für die Dresdner Bank war das ein teurer Flirt. Und die Hypovereinsbank muss lange noch alte Lasten mitschleppen. Die Beispiele zeigen: Eine Fusion löst die Probleme nicht, die ein Partner mitbringt. Die britischen Roverwerke galten als veraltet. Eine Fusion ohne Sanierung ändert nichts. Daimler schien von Altlasten immer verschont zu sein. Jetzt stellt sich heraus, dass Chrysler die Kapazitäten nicht schnell genug dem Zyklus der Automobilkonjunktur angepasst und seine Modellpolitik nicht rasch genug erneuert hat.

Doch aus Fehlern lässt sich lernen. Töricht wäre es, jetzt das andere Extrem zur Mode zu erheben. Durch Fusionen kann ein Unternehmen neue Produkte gewinnen, neue Märkte erobern und neue Technologien integrieren. Auch das ökonomische Argument ist nicht entkräftet: Firmenzusammenschlüsse bringen Synergie-Effekte als Folge von Rationalisierungen und sichern Größenvorteile. Niemand bestreitet, dass sich Fusionen der Telekommunikation (Vodafone-Mannesmann), der Unterhaltungsindustrie (AOL und Time-Warner) oder der Pharmabranche (Hoechst-Rhône-Poulenc) auszahlen können. Auch die Chancen für Daimler-Chrysler stehen weiterhin gut.

Rainer Hank

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