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Darüber spricht die ganze …: … Slowakei

Kilian Kirchgeßner über ein Gesetz, das den aufrundenden Bäcker ins Gefängnis bringt.

Es ist das alte Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche, das der Slowakei den inneren Frieden sichern soll: Während das ganze Land dem Euro entgegenfiebert, der im kommenden Jahr die slowakische Krone ablösen soll, sinniert die Regierung darüber, wie man die drohende Inflation in den Griff bekommen könnte. Die Antwort ist typisch slowakisch ausgefallen: Drastische Gefängnisstrafen sollen fortan den Wertverlust des Geldes bremsen.

Dazu ist es wichtig zu wissen, dass die Slowaken derzeit in einer Zwickmühle stecken. Zwar freuen sich fast alle auf den Euro, weil er, so die Hoffnung, ihr Fünf-Millionen-Land endlich an die großen Vorbilder im Westen herankatapultiere. Andererseits wird es vielen mulmig bei dem Gedanken, dass die Slowaken auf einen Schlag zum ärmsten Volk im Euro-Land werden: Das Durchschnittseinkommen liegt in der Nähe von 700 Euro pro Monat.

Das ist die große Stunde von Robert Fico, dem Premierminister aus Bratislava. Der Linkspopulist, der die sprudelnden Steuereinnahmen des Wirtschaftswunderlands bislang vor allem in Weihnachtszulagen für die slowakischen Rentner investiert hat, entdeckt nun plötzlich den Kampf gegen die Teuerung als neue politische Mission. Das Signal, das seine Regierung derzeit an die Bürger sendet, klingt beruhigend: „Eine Teuerung wegen der Euro-Einführung wird es nicht geben“, heißt es allerorten, „und wenn doch, dann werden wir die Verantwortlichen bestrafen.“ Damit das überhaupt möglich ist, erweitert Premier Fico gerade das slowakische Strafgesetzbuch.

Wer als Geschäftsmann den Euro dazu ausnutze, seine Preise allzu unverschämt aufzurunden, der soll das künftig dem Gericht erklären. Wenn das Gesetz verabschiedet wird, hat jeder Bürger das Recht, die vermeintlichen Preistreiber bei der Polizei anzuzeigen. Wer überführt wird, der muss sogar mit einer saftigen Gefängnisstrafe rechnen.

Im Moment weiß zwar noch niemand so richtig, wie das neue Gesetz überhaupt funktionieren soll. Denn die Beweislast hat selbstverständlich der Kunde – er muss eindeutig nachweisen, dass sein Bäcker oder sein Gemüsehändler die Preise ausschließlich wegen des Euro erhöht hat. Wie so ein schlagkräftiger Beweis aussehen soll, hat die Regierung bislang noch nicht erklärt. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig: Immerhin demonstriert man schon einmal Entschlossenheit – und so mancher Slowake wird sich sicherlich schon die Hände reiben bei der Vorstellung, seinen Kneipenwirt demnächst in der Zelle schmoren zu lassen.

Kilian Kirchgeßner

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