zum Hauptinhalt

Darüber spricht ganz …: … China

Benedikt Voigt über Jin Jing, die erste Heldin der Olympischen Sommerspiele.

Lächelnder Engel im Rollstuhl“ wird die Fackelträgerin Jin Jing laut der staatlich kontrollierten chinesischen Zeitung „China Daily“ inzwischen genannt. Die 27 Jahre alte Chinesin hat am vergangenen Montag die olympische Flamme am Seine-Ufer in Paris gegen Free-Tibet-Aktivisten verteidigt, die ihr die Fackel aus der Hand zu reißen versuchten. Nicht nur Chinesen empfinden diesen Angriff als empörend, denn Jin Jing ist Rollstuhlfahrerin. Als Neunjährige hatte sie einen Teil ihres rechten Beines aufgrund eines bösartigen Tumors verloren. Während französische Polizisten die Angreifer niederrangen, umklammerte Jin Jing die Fackel fest mit beiden Händen. Laut „China Daily“ soll sie dabei an Kinn und Schultern gekratzt worden sein. „Ich habe den Schmerz nicht gespürt“, sagte sie, „mein erster Instinkt war es, die Fackel zu beschützen.“

Die Bilder vom Angriff auf Jin Jing finden sich in China auf fast jeder Titelseite und in fast jeder Nachrichtensendung wieder. Dabei haben Chinas Zeitungen und Fernsehstationen in der vergangenen Woche nur wenige Bilder von den Demonstrationen in London, Paris und San Francisco gezeigt. Die staatlichen Zensurbehörden haben den Angriff auf Jin Jing wohl auch deshalb freigegeben, weil sie die chinesische Version der Ereignisse unterstützen: Die Demonstranten sind tibetische Separatisten, die vor nichts zurückschrecken. Über den Angriff aber muss sich jeder empören. Auch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees zeigte sich verärgert. „Gewalt gegen Athleten und Fackelträger ist sehr traurig“, sagte Jacques Rogge, „was mich aber am meisten schockiert hat, ist, dass einer versucht hat, einem behinderten Athleten die Flamme wegzunehmen – das ist nicht zu akzeptieren.“ Auch der Dalai Lama, das geistige und weltliche Oberhaupt der Tibeter, verurteilte die gewaltsamen Angriffe auf den Fackellauf. Das freilich wurde in China nicht berichtet.

Auf chinesischen Internetseiten wird nun über das mutige Mädchen diskutiert. „Ich bin in Tränen ausgebrochen, als ich gesehen habe, wie du die Flamme beschützt hat“, schrieb ein Internetnutzer auf Sohu.com. „Diese Separatisten sollten sich schämen“, schreibt ein anderer. Bei den Paralympics im September wird Jin Jing als Fechterin antreten, doch berühmt ist sie schon jetzt. Bei ihrer Rückkehr nach Peking sei sie sofort von Bewunderern umringt worden, berichtet „China Daily“. Die Spiele beginnen erst im August, doch China hat bereits seine erste Heldin gefunden.

Zur Startseite