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Darüber spricht ganz …: …Italien

Paul Kreiner über einen ganz besonderen Duft – das Kokain in der Luft über Rom

Nein, kein Schneegestöber. Maximal 0,1 Milliardstel Gramm Kokain finden sich in einem Kubikmeter römischer Luft, fünfhunderttausend- bis eine Million mal weniger als das, was Autos oder Mopeds als Feinstaub in die Atmosphäre blasen. Aber nicht einmal mit dieser Minimenge hatten die italienischen Forscher gerechnet. Angelo Cecinato, der Leiter des Projekts, weist darauf hin, dass der Kokaingehalt immerhin bei einem Fünftel des Grenzwertes liegt, den das Gesetz für giftige Stoffe festgesetzt hat.

Und weil sie schon – als weltweit die Ersten in dieser Materie – beim Messen waren, schnüffelten die Forscher auch gleich Cannabisprodukten hinterher – nicht weniger erfolgreich. Alltagsdrogen wie Nikotin und Koffein fanden sie sowieso. Am dichtesten liegen die Kokainwolken über der Innenstadt, über einem Park, der zu den üblichen verdächtigen Orten des Drogenkonsums gehört, und über dem Unigelände. Genau dort aber haben auch die Forscher ihren Sitz, und vielleicht hat gerade dieser Umstand ihren Schlussbefund erleichtert, dass „die Ursachen dieser Konzentrationen erst noch von Grund auf zu klären“ seien.

Innenminister Giuliano Amato hat erst kürzlich bestätigt, dass der Kokainverbrauch in Italien „gigantisch“ ist, der drittgrößte in Europa. Beschlagnahmt wurden voriges Jahr fünf Tonnen, 5,7 Prozent mehr als 2005. Um Mailand und Turin herum hat man das Wasser des Po auf Kokain-Reste untersucht und aus dem Ergebnis geschlossen, dass in beiden Großstädten täglich bis zu 13.000 Portionen konsumiert werden. Die Zahl der bekannten Kokainabhängigen hat sich zwischen 2001 und 2006 auf 700.000 verdoppelt. Neun von zehn Zwanzig-Euro-Scheinen weisen angeblich Koksspuren auf; sie eignen sich wohl am besten zum Schnüffeln.

Aber wie kommt der „Schnee“ in die Luft? Dass die Stätten dichtester Konzentration auch die Orte höchsten Verbrauchs wären, will Professor Cecinato nicht so stehen lassen. Vermutungen gehen dahin, dass der Drogenstaub in jenen illegalen Labors frei wird, in denen das herangeschmuggelte Material zerteilt, umgepackt und gestreckt wird. Auch die medizinische Verwendung, zum Beispiel in den Uni-Kliniken, könnte Reste in der Atmosphäre hinterlassen. Am kühnsten aber ist Cecinatos eigene These. Ausgerechnet die Polizei, so vermutet er, könnte schuld sein – und zwar mit der Art, wie sie beschlagnahmtes Kokain entsorgt. Das Zeug wird nämlich in Müllöfen verbrannt. Und womöglich hat noch keiner darüber nachgedacht, was hinten herauskommt.

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