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Darüber spricht ganz …: … Russland

Elke Windisch über die Tristesse der zehntägigen Neujahrsferien und die Not der Medien in Russland. Glücklich sind nur Familienpsychologen und auf Scheidungsrecht spezialisierte Anwälte.

Obwohl Völkerfreundschaft zu Sowjetzeiten Staatsräson war: Schwarze mag der Russe nicht. Trotzdem turnt ein Farbiger geschlagene fünf Minuten auf dem Bildschirm herum: Barack Obama, einer der möglichen Kandidaten der Demokraten bei den Präsidentenwahlen in den USA. Danach verhackstückt Staatssender RTR mit viel Liebe zum Detail Britney Spears und ihren neuesten Skandal. Doch bis zum Ende der Nachrichten sind es noch immer fast zehn Minuten. Für die Senderegie ein Alptraum, weil es außer Internationalem nichts zu senden gibt.

Gewöhnlich bestreiten Wladimir Putin und dessen Paladine den Löwenanteil der Abendnachrichten als Alleinunterhalter. Doch die fallen bis Mitte dieser Woche aus. Dann erst enden die zehntägigen Neujahrsferien, die der Kremlherrscher sich und seinen Untertanen verordnet hat. Begründung: Zwischen Jahreswechsel und dem orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Januar würde ohnehin kein Werktätiger seinen Job ernst nehmen, also solle die Nation Tee oder was auch immer in den eigenen vier Wänden trinken. Alle Räder stehen seit 30. Dezember still. Auch die der Druckerpressen, denn Zeitungen erscheinen ebenfalls nicht. Die schwarze Zunft kämpft gar nicht erst den aussichtslosen Kampf an der Nachrichtenfront. Anders als die Kollegen vom Fernsehen und vom Radio können sich die Printjournalisten nicht mit Wiederholungen aus der Affäre ziehen: Wen interessiert schon, was vor sechs Wochen oder vor einem Jahr im Blatt stand?

Die Not ist so groß, dass momentan sogar Putins Gegner durchaus Chancen hätten, gedruckt zu werden. Denn zu normalen Zeiten greifen sogenannte Stop Lists. Sie enthalten die Namen von Oppositionspolitikern und kritischen Journalisten, die ihre Ketzereien nicht unters Volk streuen sollen. Jedenfalls nicht bei staatsfrommen Medien. Doch Kommunisten und Demokraten sind auch nur Menschen – und deren Vorturner machen daher ebenfalls blau.

Anstatt dem Kremlchef dankbar zu sein, murrt der gemeine Russe jedoch von Jahr zu Jahr lauter gegen die Zwangsferien. Was tun mit der vielen freien Zeit? Die Tage sind kurz, es ist bitterkalt, und in Moskau liegt nicht einmal genug Schnee zum Skifahren. Wenn schon Kollektivurlaub, denkt die Mehrheit, dann bitte zwischen den Feiertagen Anfang Mai, wenn auf der Datsche Möhren und Kartoffeln in die Erde müssen. Glücklich sind nur Familienpsychologen und auf Scheidungsrecht spezialisierte Anwälte. Jede zweite Ehe geht Anfang Januar in die Binsen.

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