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Meinung: Das Ende eines Blinzelns

Niedersachsen und Bayern schaffen 2013 die Studiengebühren ab. Eine verpasste Chance.

Von Anna Sauerbrey

Nein, eine Ära kann man es nicht nennen, was gerade zu Ende geht. Die Phase, in der an deutschen Universitäten Studiengebühren erhoben wurden, wird sich, aus der Zukunft betrachtet, wohl eher als bildungspolitisches Blinzeln herausstellen.

Die kurze Episode begann 2005, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot allgemeiner Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz gekippt hatte. Eine ganze Reihe von Ländern, darunter Bayern und Niedersachsen, erhoben daraufhin Gebühren. Sie werden nun die letzten sein, die damit wieder aufhören. Rot-Grün hat das in Niedersachsen versprochen. In Bayern startete in der vergangenen Woche ein Volksbegehren gegen die Gebühren. Selbst die CSU will sie inzwischen nicht mehr. Die bayerische FDP ist damit der letzte Trupp versprengter Befürworter nach einer hoch ideologisch geführten Schlacht.

Die Einführung von Studiengebühren wurde als Kulturbruch mit einer kontinentaleuropäischen Tradition empfunden, der Umsonst-Bildung für alle. Als abschreckendes Modell wurde von den Gebühren-Gegnern stets das amerikanische System angeführt. Wir in Europa wollen anders sein, war das Credo, nicht so minimalstaatlich, sondern sozialer und gesellschaftlich durchlässiger. Die Gebühren, so das Argument, würden Kinder aus weniger finanzstarken Familien vom Studium abhalten.

Dabei entsprach der Aufruhr nie der umsichtigen Einführung. Keine Universität erhob mehr als 500 Euro pro Semester, die Ausnahmeregelungen waren und sind umfangreich. Ignoriert wurde in der Debatte auch, dass in Deutschland die Bildungsdurchlässigkeit selbst ohne Studiengebühren sehr gering ist, wofür die Bundesrepublik von der OECD immer wieder gerügt wird. Studien, die die These von der Abschreckungswirkung untersuchten, kamen zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen. Sie wurden sofort politisch instrumentalisiert, statt sich im Detail damit zu befassen, was genau Abiturienten davon abhält, sich für ein Studium zu entscheiden. Kurz: Eine kühle Kosten-Nutzen-Abwägung ist ausgeblieben, es war ja auch kaum Zeit dafür.

Die Unis müssen nun sehen, wie sie zurechtkommen. In Bayern haben sie zuletzt rund 180 Millionen Euro, in Niedersachsen rund 100 Millionen Euro im Jahr mehr verplanen können. In Bayern floss davon über die Hälfte in die Lehre. Geld, das die Unis angesichts des gestiegenen Betreuungsaufwands für die Bachelor- und Masterstudenten gut gebrauchen konnten. Gravierender aber ist die verpasste Chance, sich eingehender mit der Grundsatzfrage zu befassen: Wie kann man mehr Kinder aus Nicht-Akademiker-Haushalten ermutigen, ein Studium aufzunehmen? Unterfinanzierte Unis, an denen Erstsemester in Massenvorlesungen allein gelassen werden, tragen jedenfalls nicht dazu bei, sie an die Hochschulen zu locken.

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