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Meinung: Das Erbe der Besatzer

Von Matthias B. Krause

Die Nationalversammlung ist ein wichtiger Schritt für den Demokratisierungsprozess im Irak. Ihr Auftakt jedoch illustrierte einmal mehr, welches Chaos US Besatzungschef Paul Bremer hinterlassen hat. Während in einem hoch gesicherten Gebäude in der Grünen Zone Bagdads die mehr als hundert Delegierten über die Zukunft ihres Landes befinden, explodieren wenige hundert Meter entfernt Granaten, sterben Menschen. Ein Teil der schiitischen Abgeordneten zog aus Protest gegen die wieder aufflammenden Kämpfe in Nadschaf aus dem Versammlungssaal. Schnelle Antworten sind von der Arbeitsgruppe, die Lösungen vorschlagen soll, kaum zu erwarten.

Dennoch gibt es zu dem eingeschlagenen Weg derzeit keine Alternative. Zu oft hat sich der radikale Schiitenführer Muktada al Sadr als doppelzüngiger Politiker erwiesen, der nur seine eigene Agenda verfolgt. Seine Forderung, dass seine Mahdi-Armee nach Abgabe der Macht in Nadschaf ihre Waffen behalten darf, ist unakzeptabel. Vom Umgang der Zentralregierung mit al Sadrs Gefolgsleuten wird zudem abhängen, wie willig sich die kurdischen und die sunnitischen Minderheiten dem neuen irakischen Nationalstaat unterordnen. Am Sonntag lieferten sich nördlich von Bagdad sunnitische Rebellen wieder schwere Gefechte mit US-Truppen. Zeigt Bagdad jetzt Schwäche, scheren Kurden und Sunniten als Nächste aus.

Ministerpräsident Ijad Allawi beweist in den wenigen Wochen seiner Regierung bereits eine harte Hand, doch hat er dabei mit einem weiteren Erbe der amerikanischen Besatzung zu kämpfen. Saddams alte Armee ist aufgelöst, die neuen irakischen Streitkräfte sind mit einen Häuserkampf, wie er ihnen in Nadschaf bevorstehen könnte, überfordert. Andere muslimische Soldaten, die die heikle Mission gegen den Feind, der sich in einer der heiligsten Stätten verschanzt hat, stehen Allawi jedoch nicht zur Verfügung. Die monatelangen Bemühungen Washingtons, die Koalition um muslimische Staaten zu erweitern, um dem Eindruck eines Krieges zwischen den Religionen entgegenzutreten, sind sämtlich gescheitert. So wird es am Ende unvermeidlich sein, dass US-Spezialeinheiten Seite an Seite mit den Irakern gegen al Sadr vorgehen. Weitere hässliche Bilder von amerikanischen Soldaten in beschädigten irakischen Heiligtümern werden sich kaum vermeiden lassen.

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