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Meinung: „Das Gesetz hat sich als lahme Ente erwiesen“

Wer ihn von Ferne sieht, hält ihn leicht für den Bruder. Aus der Nähe allerdings hat Siegfried Kauder außer der frappanten Ähnlichkeit im Äußeren – Gesichtszug, Brille, blanker Schädel – wenig gemeinsam mit dem ungleich prominenterem Unionsfraktionschef.

Von Robert Birnbaum

Wer ihn von Ferne sieht, hält ihn leicht für den Bruder. Aus der Nähe allerdings hat Siegfried Kauder außer der frappanten Ähnlichkeit im Äußeren – Gesichtszug, Brille, blanker Schädel – wenig gemeinsam mit dem ungleich prominenterem Unionsfraktionschef. In Teilen ähnelt sich denn auch die Biographie der Brüder Siegfried und Volker: Beide sind in Singen aufgewachsen, beide haben in Freiburg Jura studiert. Dann trennen sich die Wege. Volker, der ein Jahr ältere, ist bald in der Politik in vorderen Reihen. Siegfried, Anwalt in Villingen- Schwenningen, betreibt Politik lokal. Erst seit 2002 sitzt auch er für die CDU im Bundestag.

Der Marathonläufer – Bestzeit 2:56 Stunden – erwies sich dort als eigenwillige Persönlichkeit. Kauder verweigert der eigenen Fraktion schon mal die Stimme, wenn er findet, dass die EU für die Regelung von Vorratsdatenspeicherung schlicht keine Kompetenz habe. Aufgefallen ist er vor allem als Mitglied des Visa-Untersuchungsausschusses. Die damalige Opposition hat sich darin nicht mit Ruhm bekleckert. Nur wenn der hagere Strafverteidiger seine schneidende Stimme zur Frage erhob, lag sofort eine leise Spannung im Saal. Kauder ließ sich nämlich von den Zeugen nicht mit launiger Politprosa abspeisen. Der Mann fragte nach, notfalls dreimal und notfalls dreimal in genau den gleichen Worten. Seinen Verdacht, dass wichtige Zeugen vor der Anhörung präpariert worden seien, konnte er zwar nicht beweisen. Aber wenigstens rutschten etliche hochmögende Zeugen nervös auf ihrem Stuhl umher, statt wie sonst den Arm lässig über die Lehne zu lehnen.

Freilich kam Kauder damals auch zu dem Schluss, dass das Untersuchungsausschussgesetz sich als lahme Ente erwiesen habe. Da hatte er gerade die Aussage des Zeugen Otto Schily hinter sich, der mit 5:18 Stunden einen neuen Rekord im Redemarathon aufgestellt hatte. Der damalige Innenminister, befand Kauder hinterher, habe nicht die Größe eines Staatsmannes bewiesen – habe es freilich verstanden, mit dem Gespür eines Strafverteidigers den Spielraum jenes Gesetzes bis an die Grenze des Erträglichen auszuschöpfen. Es klang unfreiwillig Respekt für den Kollegen durch. Künftig kann Kauder zeigen, wie er selbst diesen Spielraum zu nutzen versteht. Als Vorsitzender des BND-Untersuchungsausschusses hat er nämlich eine so schlichte wie schwierige Aufgabe: Mit äußerster Korrektheit das Gremium ins Leere laufen zu lassen.

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