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Meinung: Das Kitzeln der Geldsäcke

Von Antje Sirleschtov

Die Zahl scheint alle Vorurteile zu bestätigen: Deutschlands Unternehmer schleppen jedes Jahr 50 Milliarden Euro Gewinn außer Landes. Ganz legal – und für manchen auch ganz unpatriotisch – nehmen sie das Geld und bieten es den Finanzministern unserer Nachbarländer zur Versteuerung an. Ganz schlicht: Weil es dort billiger ist. 50 Milliarden Euro sind kein Pappenstiel. Müssten die – zumeist großen Konzerne – den Gewinn hier zu Lande versteuern, könnten alle deutschen Kommunen fast ein ganzes Jahr lang ihre Bauinvestitionen davon bezahlen. Allerdings rechnet sich ein solcher Steuerpatriotismus für die Unternehmen nicht. Weil die Steuersätze anderswo niedriger sind als hier, finanzieren die deutschen Konzerne lieber den Straßenbau in Polen, Estland oder Litauen, als das Geld dem deutschen Fiskus zu geben.

Man kann diesen Zustand heftig kritisieren. Völlig stoppen allerdings kann man die Steuerabwanderung in einer modernen Gesellschaft nicht. Wer es versucht, erntet unweigerlich die Abwanderung ganzer Industriezweige in die Steueroasen der Nachbarschaft. Und es nützt auch herzlich wenig, die Konzernlenker täglich an ihre staatsbürgerlichen Pflichten zu erinnern. Schön wäre es zwar, das Geld würde in Deutschland versteuert und zum Flicken von Schlaglöchern verwand. Nur wer tröstet dann die vielen deutschen Kleinaktionäre international agierender deutscher Konzerne, wenn der Patriotismus den Wert ihrer Rentenanlage schmälert? Steuerpolitik, man ahnt es, ist keine Angelegenheit für grobe Werkzeuge.

Die Regierung will nun das Geld mit einer Senkung der deutschen Unternehmensteuern, der Körperschaftsteuern, zurücklocken. Sie setzt dabei auf den natürlichen Geiz jedes Unternehmers, der seine Steuern am liebsten dort zahlt, wo es am billigsten ist. 19 statt 25 Prozent Steuersatz, kalkuliert Rot-Grün in Berlin, da tragen die Bosse jeden fünften Gewinneuro automatisch wieder zurück zum deutschen Finanzamt. Ganz schlicht: Weil es hier billiger ist. Die Vorstellung, dass es ab 2006 zur patriotischen Wiederverbrüderung von Politik und Wirtschaft kommt, mag verlockend sein. Jedoch, eine solche Bilanz der Hoffnung sahen wir bereits vor der Steueramnestie. Und mussten hinterher feststellen: Die (Geld-)Säcke bleiben, wo sie sind.

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