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Meinung: Das kleine Stück Heimat

„Mein Dorf, der Stutti ..

„Mein Dorf, der Stutti ...“ vom 25. Februar

Zur Aufklärung und Information: Die „Schnapsdrossel“ war eine normale, einfache, gut geführte Berliner Kneipe, nicht rauchfrei, die an ganz normale, junge und ältere Bürger (ja, die gibt’s dort wirklich noch, aber viele haben’s nicht so dicke) aus dem Kiez rund um den Stutti ein gut gezapftes, preiswertes Berliner Bier ausschenkte und es dem Fußballfreund ermöglichte, auch ohne eigenes Sky-Abonnement mehr oder weniger gute Spiele zu verfolgen.

Meine Vermutung: Die „Spelunke“ haben Sie (Helmut Schümann) sich als Farbtupfer ausgedacht. „Ihr Kiez“, also die besser verdienenden „Schauspieler, Architekten, Juristen, Journalisten“, der trifft sich im „Lentz“, dem Dorfgasthaus. So hat alles seine Ordnung.

Noch etwas zur Information und Beruhigung: Die „Schnapsdrossel“ bleibt geschlossen. Mit der „Spelunke“ werden die Mieten nicht verdient, die die „Bio-

Company“ im Verdrängungswettbewerb zu zahlen bereit ist. Bald kann „Ihr Kiez“ sich dann genau in den ehemaligen Räumen der „Schnapsdrossel“ treffen und sein Biogemüse kaufen, dann gibt es nicht nur „den schönsten und besten Wochenmarkt Berlins“ für „Ihren Kiez“.

Ullrich Mildenberger,

Berlin-Zehlendorf

Die von Ihnen als „üble Spelunke“ betitelte „Schnapsdrossel“ war eine von Frauen betriebene normale Berliner Eckkneipe, in der sich die Kiezbewohner trafen, die sich die teuren In-Lokale nicht leisten können und vielleicht auch nicht leisten wollen, auch ich habe mich dort gerne mit Freunden zum Bier getroffen. Für viele Vereinsamte war die „Schnapsdrossel“ eine Heimat, in der sie gut aufgehoben und betreut waren. Was ist jetzt aus ihnen geworden? Ich habe oft einfache medizinische Ratschläge gegeben, die dankbar angenommen wurden.

Als es zur Vertragsverlängerung kommen sollte, bot die „Bio-Company“ einfach mehr Geld, für Betreiberinnen und Kunden ein Schock, Silvester 2011 wurde das letzte Bier gezapft, es war traurig für alle. Ich glaube, Sie kannten die „Schnapsdrossel“ nicht.

Barbara Fischer, Berlin-Westend

Mit Interesse habe ich den Artikel gelesen, bis ich zu der Beschreibung der Ecke Wilmersdorfer/Gerviniusstraße kam. Mit großem Unverständnis las ich nun von der „üblen Spelunke“ mit dem bezeichnenden Namen „Schnapsdrossel“. Das war keine üble Spelunke, sondern eine typische Berliner Bierkneipe, in der man in netter Runde Fußball gucken konnte, Dart und Billard spielen, Musik aus einer Musikbox hörte und öfter interessante Gespräche mit Berlin-Gästen hatte.

Leider sind solche Kneipen ja überall in Berlin am Aussterben. Sechs Jahre war ich dort Stammgast und war entsetzt, dass irgendwann ein Bio-Supermarkt einziehen soll. In dieser Kneipe fand nun wirklich das sogenannte Kiezleben statt, das ja immer so schön beschrieben wird.

Sehr geehrter Herr Schümann, für Sie ist der Stutti mitsamt den Schmuddelecken „eine Heimat – mit allem, was dazugehört“ – so steht es sogar noch in der Überschrift des Artikels. Na ja, dann waren Sie bestimmt nie Gast in der „Schnapsdrossel“ – die gehörte auf jeden Fall mit dazu. Mir jedenfalls ist ein kleines Stück „Heimat“ abhanden gekommen.

Barbara Schooth,

Berlin-Friedrichshain

Drogenhandel und Drogenkonsum am Stuttgarter Platz gewinnen bei Helmut Schümann etwas Beiläufiges, mit dem man sich ohne großes Aufhebens abfinden kann und sollte. Im Umfeld solch’ großstädtischer Bahnhöfe, wie dem S-Bahnhof Charlottenburg mit seinem einen Ausgang, ist die Welt halt nicht perfekt. Solange ihm in seinem Dorf, dem Stutti, noch Journalisten, Schauspieler, Architekten, Professoren und gar Juristen über den Weg laufen, will er sich jedenfalls durch übertriebene Empfindsamkeit einiger Kiezbewohner seine heilen Heimatgefühle nicht trüben lassen.

Die durchsetzungsstarke Bürgerinitiative Stuttgarter Platz will ihren Namensgeber mit aller Macht vom Geruch des Rotlichts und der Drogenszene befreien. Verständlich. Da kommt Helmut Schümann mit seiner weichgespülten Liebeserklärung für den Stutti gerade recht. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Bleibt noch anzumerken, dass sich die inzwischen in einer Anwohnerinitiative organisierenden Schmuddelkinder vom Bahnhof in ihrer Zuneigung zum Stutti von niemandem übertreffen lassen.

Helmut Frenzel, Berlin-Charlottenburg

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