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Meinung: Das nationale Trauma

„Norwegen verteidigt seine Werte vorbildlich“ vom 15. April Als norwegische Journalistin in Berlin finde ich den Artikel ein bisschen irreführend.

„Norwegen verteidigt seine Werte vorbildlich“ vom 15. April

Als norwegische Journalistin in Berlin finde ich den Artikel ein bisschen irreführend. Natürlich ist es schön, dass die Autorin die norwegische Gesellschaft so toll findet. Und, wenn es um die Gleichberechtigung der Geschlechter, Chancengleichheit und die Verteilung von Geld in der Gesellschaft geht, finde auch ich, dass Norwegen weiter vorne liegt als Deutschland. Aber im Fall Anders Behring Breivik ist die Situation nicht so rosenrot, wie die Journalistin sie darstellt.

Seit dem 22. Juli 2011 hat sich Norwegen verändert, wir haben unsere Unschuld verloren, die Medien umso mehr. Jeden Tag haben die Zeitungen Berichte über Breivik gebracht. Und die Artikel sind voller Sensationsstoff: Wer hat Breiviks Nase operiert, mit welcher Frau war er kurz zusammen usw. Die norwegischen Medien haben aus dem Monster Breivik einen Prominenten gemacht. Wir wissen jetzt leider viel mehr über ihn, als über seine Opfer.

Ich finde, dass Norwegen nicht vorbildlich auf diese schrecklichen Ereignisse reagiert hat, jedenfalls nicht die Medien. Deswegen sind die Norweger jetzt auch satt von Informationen. Wir erlebten den 22. Juli als ein nationales Trauma. Und die Medienberichte danach haben das Trauma nur verlängert, nicht gelindert.

Erle Marie Sørheim, Journalistin für „Dagbladet“ und „Klassekampen“,

Berlin-Neukölln

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