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Das RTL-Dschungel-Camp: Fremdschämen: Lektion 1

Schon fast vergessen, kehrt das Grauen nach knapp vier Jahren Pause zurück in deutsche Wohnzimmer: Das Dschungel-Camp geht in die dritte Runde und gibt den Fernsehzuschauern wieder zahlreiche Möglichkeiten, schamesrot im Fernsehsessel zu versinken.

Kennen Sie den Begriff Fremdschämen? Nein? Dann sollten Sie ihn dringend in ihren Wortschatz aufnehmen, denn in Zeiten von Reality-Soaps kommen Sie nicht umhin, sich früher oder später für Menschen zu schämen, mit denen Sie persönlich eigentlich gar nichts zu tun haben. Diese Erfahrung haben Sie noch nicht gemacht? Dann schalten Sie am Freitagabend doch ihren Fernseher ein, RTL, 22.15 Uhr. Dort gibt es eine kostenlose Lektion: das Dschungel-Camp.

Läster-Schwestern im Intrigen-Sumpf

"Ich bin ein Star – holt mich hier raus" lautet das Motto auch in der dritten Staffel, für die sich zehn Semi-Prominente zwei Wochen lang in ein Dschungel-Camp einsperren lassen. Ihr Auftrag: Überleben und Dschungel-typische Aufgaben erfüllen. Ersteres sollte nicht allzu schwer sein, werden die C-Promis doch rund um die Uhr von Kameras bewacht. Und außerdem – psssst, nicht verraten! – ist der Dschungel gar kein echter Dschungel, sondern eine künstlich angelegte Grünanlage auf einem alten Farmgelände. Für die Erfüllung ihres zweiten Auftrags müssen die Dschungel-Inhaftierten dann schon ein bisschen mehr Einsatz zeigen: Maden essen, mit Käfern, Spinnen und Schlangen kämpfen oder sich mit Straußen ein Gefecht liefern sind nur einige der Aufgaben, die im typisch australischen Dschungel eben zum Tagesgeschäft gehören.

Alle fortgeschrittenen Fremdschämer erinnern sich vermutlich schmerzhaft an die ersten beiden Lektionen. Wer in der ersten Staffel einem bierbäuchigen Macho alias Werner Böhm bei der Meisterung seines Dschungel-Alltags zusehen musste oder der Läster-Schwester Caroline Beil gelauscht hat, als diese über die Brustimplantate der schönen Mariella Ahrens herzog, hat das Fremdschämen par excellance kennen gelernt. Eine fast noch größere Herausforderung war die zweite Staffel, in der die Zicken Dolly Buster, Désirée Nick, Isabell Varell und Carsten Spengemann sich gegenseitig an Peinlichkeiten überboten. Gebracht hat es ihnen nichts: Keiner der Dschungel-Alt-Stars konnte seiner Karriere den – sicherlich erhofften – Kick geben. Im Gegenteil. Lisa Fitz mutierte von einer ernstzunehmenden Kabarettistin zur faltigen Witzfigur und auch Susan Stahnke und Daniel Küblböck haben sich letztlich komplett der Lächerlichkeit preisgegeben.

"Mich lockt die Grenzerfahrung" - natürlich

Zwischen den Wellen des Fremdschämens, die während der ersten beiden Staffeln unaufhaltsam über die Fernsehzuschauer hereinbrachen, fragte man sich kopfschüttelnd: Wieso machen die das überhaupt? Die offiziellen Antworten der Camp-Inhaftierten lauteten stets: Selbsterfahrung, an die eigenen Grenzen gehen. Auch für die Teilnehmer der neuen Staffel scheinen dieselben Motive Gültigkeit zu haben: "Mich lockt die Grenzerfahrung, das Erlebnis, an einer Art Überlebenscamp teilzunehmen. Ich bin zu allem bereit", erklärte jüngst Barbara Herzsprung, künftige Camp-Bewohnerin, in einem Interview mit "Bunte". Barbara wer? Naja, Herzsprung eben, Frau von Schauspieler Bernd Herzsprung, Mutter von Newcomerin Hannah Herzsprung. Wie gesagt, C-Promis…

In bester Gesellschaft von Ex-Porno-Star Michaela Schaffrath alias Gina Wild, Tänzerin/Playmate Isabel Edvardsson und Schauspielerin Julia Biedermann soll Barbara Herzsprung also ihr Feldbett im feuchten Urwald aufschlagen. Aufgepeppt wird die Runde angeblich noch von Super-Sternchen Lisa Bund, dem Ex-Bro`Sis-Sänger Ross Anthony und Hip Hopper DJ Tomek. Für ein wenig Ruhe und Altersweisheit sollen wohl die beiden letzten Camp-Kandidaten, Schlagersänger Bata Illic und Moderator Björn Hergen Schimpf, sorgen. Und der Zuschauer fragt sich angesichts dieser Riege bang: Wird es dieses Mal noch schlimmer? Vermutlich schon, denn die diesjährigen Teilnehmer sind noch weniger prominent als die der vorangegangenen Camps und folglich mit der Härte der medialen Ausschlachtung von Privats- und Intimsphäre wenig vertraut. Zum Fremdschämen wird sich also auch noch echtes Mitleid gesellen.

Tausche Selbstachtung gegen neue Hüfte

Mitleid lässt sich für alle Anfänger des Fremdschämens allerdings vorab schon gut trainieren: Ein weiterer Kandidat der neuen Staffel, der ehemalige Nationaltorhüter Eike Immel, begründet seine Teilnahme schlicht und ergreifend mit Geldnot. "Meine Krankheit hat mich aus der Bahn geworfen", gestand er in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Er brauche das Geld, um eine wichtige Hüft-Operation machen zu lassen. Ganz schön traurig. Aber immerhin spricht Immel aus, was viele bereits vermutet haben: Geld ist ein großer Motivationsfaktor für die Boot-Camper. Wie überraschend. Für ein paar Kröten kämpft die C-Prominenz vor laufenden Kameras gerne um anständige Mahlzeiten und begibt sich in den vom TV-Sender vorgegebenen, archaischen Tagesrhythmus. Wer geschickt verhandelt hat, für den springt sogar ein recht beachtliches Sümmchen bei der ganzen Sache heraus: Gina Wild, so munkelt man, lässt sich den Verlust ihrer Selbstachtung mit einem Trostpflaster von schlappen 50.000 Euro entschädigen. Aber ist es das wert, sich zum bemitleidenswerten Fremdschämobjekt einer ganzen Nation zu machen?

Scheinbar schon, denn die Teilnehmer wissen vorab, worauf sie sich einlassen und entscheiden: Ja, das ist es wert. Für ein paar – oder ein paar mehr - Taler lässt sich das bisschen Spott ganz gut verkraften, denken sie vielleicht. Da ist das seichte Überlebenstraining dann doch nicht so schlimm. Findet auch Moderatorin Sonja Zietlow, die mit Knutschkugel Dirk Bach das Geschehen wie gewohnt bissig kommentieren wird. In einem RTL-Interview sagte sie, sie verstehe überhaupt nicht, warum sich die Promis im Camp manchmal so anstellen. Die paar Maden und Spinne seien doch nun wirklich auszuhalten.

Schadenfreude und Gemeinheiten gibt’s Gratis

Lässt sich natürlich leicht sagen, wenn aus sicherer Distanz lediglich moderiert werden muss. Wobei, die Moderationen von Sonja Zietlow und Dirk Bach sind eigentlich ganz gute Einstiegshilfen für alle Fremdschäm-Anfänger. Denn Grundvoraussetzung, um ein guter Fremdschämer zu werden, ist die Fähigkeit zur Schadenfreude. Und wer könnte dies besser unterrichten als die Meister selbst? Herrlich schadenfroh kommentieren Zietlow und Bach jede Entgleisung der Camp-Insassen, streuen Salz in die Wunden und kommentieren gehässig alle Teilnehmer – ohne Ausnahme.

Diese kleine Zusatzlektion in Sachen Gemeinheit und Schadenfreude sollten Sie auf jeden Fall mitnehmen. Kostet ja nix. Naja, ein bisschen nutzlos verbrachte Lebenszeit vielleicht.

Simone Bartsch

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