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Meinung: „Das Soziale darf keine Randgröße sein“

Manche in der CDU nennen ihn neuerdings „den Widergänger“. Das ist nicht nett gemeint, allein des draculösen Anklangs wegen, aber so richtig falsch ist es nicht.

Von Robert Birnbaum

Manche in der CDU nennen ihn neuerdings „den Widergänger“. Das ist nicht nett gemeint, allein des draculösen Anklangs wegen, aber so richtig falsch ist es nicht. Dafür arbeitet der NRW-Landeschef allzu deutlich darauf hin, das strategische Erbe eines seiner zwei politischen Ziehväter anzutreten. Norbert Blüm hat Jürgen Rüttgers den Weg an die Spitze des CDU-Landesverbands bereitet. Seit Blüm von der Bühne abtrat, war die Position des Christsozialen in der CDU vakant. Rüttgers sucht sie nun zu füllen.

Dahinter steckt ein Stück Überzeugung und ein Stück Taktik. Beides ist bei Rüttgers oft noch schwerer auseinanderzuhalten als unter Spitzenpolitikern branchenüblich. Groß geworden im „rheinischen Kapitalismus“ Blüms und seines zweiten großen Mentors Helmut Kohl, hat er immer der katholischen Arbeiterbewegung nahe gestanden. Diese Vergangenheit hat sich als nützlich erwiesen, als er das rote Herzland Nordrhein- Westfalen eroberte. Rüttgers, schon immer ein sorgfältiger Leser von Umfragen und Statistiken, rief sich selbst angesichts des ungewöhnlich hohen Anteils von Arbeiterstimmen für die CDU zum wahren „Arbeiterführer“ an Rhein und Ruhr aus. Seither arbeitet er daran, es zu bleiben – in der wahrscheinlich ganz richtigen Einschätzung, nur so auf Dauer die Mehrheit im Lande halten zu können.

Diese Position bringt ihn immer häufiger in Gegensatz zu seiner Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel – sei es, dass Rüttgers Beschlüsse des Leipziger Parteitags knapp unter „Lebenslügen“ abheftet, sei es, dass er einen Hartz-IV- Antrag für den nächsten Parteitag im Dezember in Dresden stellt. Der enthält zwar – nach massiver Intervention aus Berlin – nur noch Dinge, die die CDU vor Jahren schon einmal beschlossen hat. Aber Rüttgers muss nicht viel dafür tun, damit sich der Eindruck festsetzt, es handele sich um einen Schritt zu der von ihm zu Wahlkampfzeiten geforderten „Generalrevision“ der Hartz-IV-Gesetze.

In der eigenen Partei machen ihm solche Vorstöße nicht nur in Berlin wenig Freunde. Außenseiter ist er damit auch unter den CDU-Ministerpräsidenten – von Roland Koch bis Günther Oettinger. Aber Rüttgers, etwas älter als die anderen, hat sowieso nie zu diesem Klub einstiger Jungunionisten gehört. Er hält demonstrativ Kontakt zum Kollegen Edmund Stoiber. Und stützt sich ansonsten darauf, dass die NRW-CDU in der Partei über eine solide Sperrminorität verfügt.

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