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Das Sparpaket: Agenda 2014

Bei Lichte besehen haben Merkel, Westerwelle und Co. in den vergangenen Tagen genau das getan, wofür sie im Herbst gewählt worden waren. Ein Befreiungsschlag ist das Sparpaket jedoch nicht.

Von Antje Sirleschtov

Nur wer Freibier für alle verspricht, darf auf Applaus hoffen. Das hatte Guido Westerwelle am Sonntag zum Frühstück gesagt. 24 Stunden und 80 Milliarden Euro später ist klar: Das wird Ärger geben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist in Klausur gegangen und hat ein gemeinsames Sparpaket vorgelegt. Sie nimmt Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld, kürzt Polizisten das Weihnachtszubrot und kassiert die Gewinne der Bahn für ihre Haushaltspläne. Gewerkschafter aller Bereiche vereinigt Euch! Zum Aufstand gegen die soziale Schlagseite dieses Sparpakets. Und nehmt die Betreiber von Aluminiumhütten am besten gleich mit. Denn deren Stromsteuer-Subventionen werden um 5,5 Milliarden Euro gekürzt. Kein Pappenstiel, da wird es Proteste hageln.

Ansonsten allerdings sieht die Sache gar nicht so übel aus. Europa ist überschuldet. Die Briten stimmen ihr Volk auf „Jahrzehnte des Leidens“ ein, wollen gar die Mehrwertsteuer anheben. Nicht nur Griechen schneiden tiefe Furchen in ihren Sozialstaat hinein. Und die Deutschen? Sie kappen ihre Staatsausgaben bis 2014 um sage und schreibe 80 Milliarden Euro. Das ist, man muss sich das vorstellen, in etwa so, als würde man den ganzen Freistaat Bayern lahmlegen – zwei Jahre lang. Und so eine Operation funktioniert offenbar, ohne die Renten zu ruinieren, die Sozialversicherungsbeiträge anzuheben oder die Umsatzsteuer noch einmal hochzuschrauben. Man traut sich ja nur, es ganz leise zu sagen. Aber so richtig schlecht kann’s uns bisher nicht gegangen sein.

Bei Lichte besehen haben Merkel, Westerwelle und Co. in den vergangenen Tagen genau das getan, wofür sie im Herbst gewählt worden waren. Sie haben ein bisschen mehr bei den Sozialausgaben gestrichen, als dass man das Paket sozial ausgewogen nennen kann. Sie haben ein bisschen zu wenig bei den Subventionen für Industrie, Wirtschaft und Gutbetuchte zugelangt, als dass man ihnen den Mut zu Strukturveränderungen attestieren kann. Und sie haben der Allgemeinheit keine größeren Lasten auferlegt. Mutig ist das alles nicht. Aber nach sechs Monaten Nichtstun hat das Land eine Regierung gesehen, die die Schuldenbremse im Grundgesetz einhalten will, ohne an der Steuerschraube zu drehen, die Bildungsausgaben zusammenzustreichen oder einen Generalstreik zu provozieren. Und das ist ja schon mal was in Zeiten wie diesen.

Ein Befreiungsschlag nach dem desaströsen schwarz-gelben Regierungsprojekt ist das Sparpaket allerdings nicht. Dafür zeigt es zu wenig Richtung. War es nicht eigentlich der erklärte Wille dieser Koalition, dafür zu sorgen, dass alle Subventionsbereiche durchforstet und ihre Empfängerzahl auf wirklich Bedürftige reduziert werden? Davon ist so gut wie nichts zu spüren.

Genauso wenig zeugt das Paket von einem Sinn für das allgemeine Gerechtigkeitsgefühl. Es zu bedienen, wäre wichtig gewesen, um den Menschen gerade in diesen Krisenmonaten zu zeigen, dass Geld diese Welt vielleicht doch nicht ganz allein regiert. Und es wäre vergleichsweise einfach gewesen. Eine Krisenabgabe für Wohlhabende, zeitlich begrenzt. Die Rücknahme der ermäßigten Mehrwertsteuer für Hoteliers. So etwas würgt weder die Konjunktur ab, noch treibt es Eliten aus dem Land. Stattdessen hätte es Empfindsamkeit für die Stimmung der Menschen im Land gezeigt.

Und die Menschen werden Merkel, Westerwelle und Seehofer in den kommenden Monaten noch brauchen, wenn es daran geht, die nächsten harten Brocken zu schultern. Schließlich hat die Regierung noch keine Lösung für die drängenden Probleme im Gesundheitsbereich. Und auch beim Umbau der Bundeswehr gibt es bis heute nur einen Haushaltsposten. Mal sehen, was passiert, wenn dereinst reihenweise Standorte geschlossen werden.

Zum Schluss ein Wort zum Schloss und an alle, die jetzt mit geballter Faust in der Tasche herumlaufen: Ein solches Projekt in der Mitte Berlins braucht mehr als Geld und die Zustimmung des Parlaments. Es muss auch populär sein.

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