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Der grüne Bulle soll den Aufwärtstrend an der Frankfurter Börse signalisieren.

© dpa

Dax-Höhenflug: Nach der Krise ist vor der Krise

Der Deutsche Aktienindex steht so hoch wie seit Herbst 2008 nicht mehr. Doch dieser Höhenflug lässt auch Böses ahnen. Denn die Wahrnehmung ist selektiv und blendet Risiken aus.

Der Deutsche Aktienindex (Dax) ist am Mittwoch auf mehr als 6400 Punkte gestiegen. Dorthin also, wo er zuletzt im Herbst 2008 stand, kurz bevor die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrach und die Finanzkrise sich ausbreitete. Die Börse, die Anleger in Deutschland, haben diese Krise nun abgehakt.

Der Blick richtet sich – wie üblich am Aktienmarkt – nach vorne. Besser: nach oben, in Richtung Gewinnzone. Nach einem halben Jahr Unentschlossenheit und Verunsicherung, während dem die Kurse auf und ab pendelten, scheint der Knoten geplatzt. Die guten Nachrichten dringen wieder durch. Dabei ist die Wahrnehmung der Anleger – auch typisch für den Aktienmarkt – selektiv. Was gefällt, wird überbewertet. Was die Stimmung trübt, wird verdrängt. So wurde gefeiert, dass die amerikanische Notenbank Fed der lahmen US-Wirtschaft weiter mit billigem Geld auf die Sprünge helfen will. Jubel brach außerdem aus, weil der weltgrößte Chip-Hersteller Intel glänzend verdient. Das reicht für ein Kursfeuerwerk: eine lockere Geldpolitik, die die Zinsen drückt, und Gewinne in einer Branche, die als Bote des Aufschwungs gilt.

Selektiv ist diese Wahrnehmung, weil sie die Risiken ausblendet. So weiß jeder Anleger, dass im industriellen Zyklus der Technologiebranche Gewinne genauso schnell einbrechen können, wie sie explodieren. Ein gutes Quartalsergebnis macht noch keinen Aufschwung. Gefährlicher ist aber die Kurzsichtigkeit mit Blick auf die Fed. Sie ist dabei, eine neue Spekulationswelle anzuschieben. Wer die Märkte liquide hält, koste es, was es wolle, und wer den Banken Ramsch- und Giftpapiere abnimmt, damit sie jeden noch so unsinnigen Kredit vergeben können, der gibt den Spekulanten einen Blankoscheck: Wir zahlen die Rechnung – auch, wenn etwas schiefgeht. Das war vor der Lehman- Pleite so, und es ist heute wieder so. Was aber zur Krisenbewältigung notwendig und sinnvoll war, ist heute gefährlich.

Märkte haben kein Gedächtnis, und Spekulanten blicken nicht zurück. Sie wollen belohnt werden. Zum Beispiel mit Bonuszahlungen. Laut „Wall Street Journal“ schütten US-Banken und -Finanzfirmen in diesem Jahr 144 Milliarden Dollar an Sonderzahlungen aus.

Es mag zynisch klingen, aber solange die selektive Wahrnehmung der großen Börsenspieler anhält, gibt es kaum bessere Argumente, um Aktien zu kaufen. Mit Staatspapieren, Tagesgeldern oder Sparbriefen ist kaum ein Cent zu verdienen. Allenfalls Gold und Rohstoffe versprechen noch attraktive Prozente. Aber wer will schon unnötig Risiken eingehen? Aus der Sicht eines Anlegers, der auf die deutsche Exportwirtschaft im Dax setzt, ist das Aktienkalkül sogar realwirtschaftlich sinnvoll. Denn die deutschen Banken, Auto- und Maschinenbauer, Chemie- oder Pharmakonzerne machen weltweit gerade die besten Geschäfte.

Wer mitverdienen will, sollte aber vorher sein Gedächtnis bemühen: Die letzte Krise fiel nicht vom Himmel – sie wurde finanziert mit schnellem, billigem Geld.

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