zum Hauptinhalt

Meinung: Debatte um Rentenreform: Richtiger Kurs, gebremstes Tempo

Basta! Der rhetorische Archetyp eines Machtworts mag Gerhard Schröder im Zorn entwichen sein, im Zorn über eine uneinsichtige gewerkschaftliche Stammklientel angesichts einer nicht nur von ihm für nötig erachteten Rentenreform.

Basta! Der rhetorische Archetyp eines Machtworts mag Gerhard Schröder im Zorn entwichen sein, im Zorn über eine uneinsichtige gewerkschaftliche Stammklientel angesichts einer nicht nur von ihm für nötig erachteten Rentenreform. Folgt dem Wort die Tat auf dem Fuße, ist zu Recht von Macht die Rede. Allein, wenn Walter Riester und Hans Eichel in dieser Woche die Reform vorstellen, werden sie - wenn nicht alles täuscht - den Kanzler mindestens teilweise dementieren. Denn nur wenige Tage vor ihrer ersten Lesung im Bundestag ist immer noch nicht klar, zu welcher der vielen Varianten des schwächsten und neuerdings auch des stärksten Ministers sich die Koalition bis dahin durchgerungen haben mag. Sicher ist bloß: Sie kommt später. Nix Basta - momento!

Fängt es also wieder an? Droht der Regierungskoalition ein "annus horribilis", noch ein schreckliches Jahr, so wie die ersten zwölf Monate, die mit ihrem holpernden Chaos viele konservative Warnungen vor einem rot-grünen Chaos zu bestätigen schienen? Das ist möglich, aber keineswegs zwangsläufig. Denn die jüngsten Verwerfungen resultieren aus einer sehr eigenwilligen Mischung aus alter Schwäche und neuer Stärke.

Die alte Schwäche ist zum einen personell, zum anderen strukturell bedingt. Für sie stehen die Namen Walter Riester und SPD. Der Arbeitsminister ist ein sympathischer, ein kluger und auch reformwilliger Kopf. Nur an seiner Reformfähigkeit hapert es. Immer wieder bringt er neue Varianten ins Spiel. Dass er dafür die Opposition nicht gewinnen kann, mag man ihm nachsehen, doch es mangelt ihm auch an Überzeugungskraft in der Koalition, sogar in der eigenen Fraktion.

Ein Teil der Probleme ist jedoch nicht dem Sozialminister anzulasten. Immer wenn es um Reformen geht, die den Bürgern nicht nur etwas geben, sondern ihnen auch etwas zumuten, bekommt die Sozialdemokratie Probleme - gerade die Sozialdemokratie. Daran hat noch kein Machtwort ihres neuen Vorsitzenden etwas geändert.

Rentenreform aber heißt: Mehr Aufwand des Einzelnen für weniger Ertrag. Das geht nicht anders, wenn es immer mehr Rentner und immer weniger Beitragszahler gibt. Aber dies Einfache ist schwer zu vermitteln, zumal wenn es langsam wieder auf Wahlen zugeht. Der Kanzler sollte seine Freunde daran erinnern, dass es bei der Steuerreform am Ende genau die Standhaftigkeit der Handelnden war, die eine zögernde Bevölkerung überzeugte.

Für die neue Stärke, die zu den aktuellen Problemen der Koalition beiträgt, stehen die Namen Hans Eichel, Fritz Kuhn und Renate Künast. Die Bündnisgrünen haben eine neue Führung. Die erste professionelle seit langem. Deshalb sind sie ein schwierigerer Partner geworden. Die SPD muss nun lernen, dass sie dadurch allerdings auch berechenbarer geworden sind. Doch wenn die Sozialdemokratie vor der Wahl die Rentner schonen, aber die jüngere Generation belasten will, kann eine Partei nicht mitmachen, die darum kämpfen muss, ihren angestammten Platz in eben diesem Bevölkerungssegment zu behaupten. Für die Grünen geht es in der Rentenfrage nicht nur ums Rechthaben.

Finanzminister Hans Eichel trägt zu den Verwerfungen bei, weil er zu schnell zu stark geworden ist. Niemand, der ihm die Nr. Zwei nach dem Kanzler streitig machen könnte. Er muss nun lernen, mit seiner Macht auch maßvoll umzugehen. Das heißt vor allem: den Vorwurf entkräften, es gehe ihm um das Sparen an sich. Durch seinen Sparkurs gewonnene Spielräume zu nutzen, darf daher nicht nur eine Frage der Zukunft - es muss auch eine Möglichkeit der Gegenwart sein.

Gleich ob Rente oder Krankenkasssen, um die Sozialversicherungsbeiträge nicht steigen zu lassen, sollte auch der Finanzminister sein Scherflein beitragen. In den aktuellen Streitfragen zwischen Sozialdemokraten und Bündnisgrünen, die auch Fachleute nur noch schwer nachvollziehen können, geht es um einstellige Milliardenbeträge. Die Politik zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte steht also nicht auf dem Spiel. Wohl aber Handlungsfähigkeit und Ansehen der Koalition.

Thomas Kröter

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false