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Meinung: Delle im Sitz

Von Clemens Wergin

Der Auftritt der amerikanischen UNSondergesandten Shirin Tahir-Kheli vor der Generalversammlung ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die USA wenden sich unmissverständlich gegen den Vorschlag der „G4“ – Brasilien, Deutschland, Indien und Japan – den UN-Sicherheitsrat um fünf ständige Mitglieder zu erweitern. Tahir-Kheli stellte auch klar, dass diese Erweiterung niemals vom Kongress in Washington ratifiziert würde.

Die deutsche Regierung hatte stets argumentiert, dass sich die USA den G-4-Ländern am Ende nicht entgegenstellen würden, wenn die für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit in der UN-Generalversammlung bekämen. Da war immer eine gehörige Portion Wunschdenken mit im Spiel, gelten doch die beiden Häuser des amerikanischen Parlaments als mindestens so UN-skeptisch wie die Bush-Regierung.

Tahir-Kheli hat also nur ausgesprochen, was in den USA ohnehin jeder weiß. Aber auch unter den restlichen UN-Mitgliedstaaten gibt es mehr Widerstand, als die vier gehofft hatten. Und da jetzt nicht mehr zwei, sondern gar drei Vorschläge auf dem Tisch liegen, wird eine Niederlage der G4 immer wahrscheinlicher. Jetzt einen Rückzieher zu machen, wäre aber falsch. Wer so ambitioniert auftritt wie die G4, muss die Sache auch durchziehen, schon der Selbstachtung wegen. Und wenn die UN-Seligkeit der Deutschen am Ende ein paar Dellen davonträgt, mag das auch seinen Wert haben. Weil die Regierung dann am eigenen Leib erfahren hätte, woran die UN wirklich kranken: nicht am fehlenden Sitz der Deutschen im UN-Sicherheitsrat, sondern daran, dass nationale Interessen viel zu oft die Funktionsfähigkeit der Organisation gefährden. Ein Problem zumal, dass durch eine Erweiterung des Sicherheitsrates nur verschärft würde.

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