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Meinung: Den Hass an der Wurzel bekämpfen

Wir versuchen, Muslimen ein Heimatgefühl zu vermitteln Von Peter Torry

Nach den Londoner Bombenanschlägen im vergangenen Jahr, nach dem jüngsten, verhinderten Terroranschlag und der Verhaftung von 24 jungen britischen Muslimen wurde Großbritanniens Integrationspolitik von einigen Kommentatoren scharf kritisiert. Sie behaupten, die in Großbritannien seit langem gepflegte Tradition von Religionsfreiheit, Vielfalt und Toleranz gegenüber ethnischen Minderheiten habe junge Muslime in die städtischen Ghettos getrieben, wo sie eine leichte Beute fundamentalistischen Gedankenguts werden.

Die Achtung kultureller Unterschiede hat Großbritanniens muslimische Gemeinschaften nicht isoliert. Eher im Gegenteil. Großbritannien ist mittlerweile die Heimat von über 1,8 Millionen Muslimen. Die allermeisten sind gut integriert und leisten einen aktiven und positiven Beitrag zur britischen Gesellschaft. Sie sind in Politik, Wirtschaft, Medien, Sport und Kunst gut vertreten. Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder unserer muslimischen Gemeinden sind gesetzestreue Bürger, die die Gewalttaten einer extremistischen Minderheit offen verurteilen.

Die Respektierung kultureller Unterschiede ist eine Politik, die den Anspruch anderer auf eigene kulturelle Identität anerkennt: kulturelle Vielfalt wird nicht nur geschätzt, sondern ist willkommen. Eine Politik, die sich darum bemüht, unsere Kenntnisse über die Kultur anderer zu mehren und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen. Ein Konzept, mit dem wir versuchen zu vermitteln, was ein deutsches Wort am besten ausdrückt: Heimatgefühl.

Aber Unterschiede zu respektieren bedeutet nicht, radikale oder repressive Überzeugungen zu tolerieren. Achtung vor dem Anderssein gibt religiösen Minderheiten nicht das Recht, sich selbst von den Kernwerten der Gesellschaft auszunehmen. Daher hat Großbritanniens Integrationspolitik in den letzten Jahren eine „stille“ Revolution durchgemacht, in der mehr Wert als bisher auf Integration gelegt wird. Unterricht in Bürgerkunde ist jetzt Teil des Lehrplans. Wer heute die britische Staatsbürgerschaft erwerben will, muss beweisen, dass er die englische Sprache beherrscht, Kenntnisse in britischer Geschichte hat und über Rechte und Pflichten als britischer Bürger informiert ist.

Redefreiheit, Gesetzestreue, Toleranz und Gleichberechtigung der Geschlechter können niemals als Werte betrachtet werden, die jeder nach Gutdünken annehmen oder ablehnen kann. An diejenigen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung missbrauchen und Rassenhass und Mord gutheißen, ergeht die unmissverständliche Botschaft: Wir werden solche Aktivitäten nicht dulden. Großbritannien nimmt deshalb eine harte Position gegenüber den „Hasspredigern“ ein. Wir haben uns aber auch bemüht, diesen Hass an der Wurzel zu bekämpfen, zum Beispiel über Zusammenarbeit mit der pakistanischen Regierung, um rigoros gegen Hass predigende Religionsschulen vorgehen zu können.

Im Rahmen der Strategie gegen Radikalisierung setzt die Regierung auch auf ein umfassendes Programm von Initiativen zur Stärkung der Zusammenarbeit und des Dialogs mit religiösen Glaubensgemeinschaften, auch der muslimischen Gemeinden. Wir bemühen uns um den Aufbau eines dauerhaften Zusammengehörigkeitsgefühls, um so den Eindruck von Isolation zu bekämpfen, der manche Jugendliche zu Opfern von Fanatikern werden lässt. Mit anderen Worten: Wir wollen den muslimischen Mainstream für uns gewinnen, um damit den extremistischen Rand zu isolieren.

Kurz, die Ursachen der Radikalisierung mancher Muslime liegen mehr bei den Fanatikern, die Muslime zum Radikalismus erziehen als bei den Vor- oder Nachteilen der Integrationspolitik einzelner Länder. Es ist kein Zufall, dass die Attentäter vom 11. September und die Bombenleger in der Londoner U-Bahn vorwiegend aus wohlhabenden Familien stammen.

Radikalismus bekämpft man, indem man die Bemühungen auf etwas richtet, zu dem die Fernsehkameras nicht vordringen: das Denken und Fühlen derjenigen Muslime, die in Versuchung geraten könnten, den Weg des Radikalismus zu beschreiten. Darauf müssen wir durch direktes Engagement, durch Dialog und gegenseitige Achtung Einfluss nehmen. Und glücklicherweise können wir in Großbritannien uns dabei auf die Hilfe und Unterstützung unserer muslimischen Mitbürger stützen.

Der Autor ist britischer Botschafter in Deutschland.

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